Maler Markus Lüpertz stilisiert sich gern als Genie und Meister. Trotzdem ist der 76-jährige Künstler nie zufrieden mit sich.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Karlsruhe - Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte Markus Lüpertz zu einer Generation von Malern, die eine neue Zeit einleiten wollten. Jetzt stellt der76-jährige Künstler im ZKM in Karlsruhe aus, wo seine Karriere als junger Kunstprofessor begann.

 
Herr Lüpertz, Sie stellen im ZKM Karlsruhe aus. Wie fühlen Sie sich als klassischer Maler zwischen Neuen Medien, Videoinstallationen, Computerkunst und App-Art?
Wie jeder Besucher auch. Die Räume haben eine besondere Atmosphäre – und der stelle ich mich mit meinen Arbeiten.
Haben Sie nie einen Druck gespürt, sich auch für neuere Kunstformen zu öffnen?
Nein, über so etwas denke ich nicht nach. Entweder du hast Genie oder nicht.
Wenn es um Sie geht, fallen gern Begriffe wie Malerfürst oder großer deutscher Maler.
Gegen den großen deutschen Maler habe ich nichts. Aber der Malerfürst war eine Erfindung der Bild-Zeitung. Ich habe den Begriff nie auf mich angewandt. Ich bin an keinem Hof beschäftigt, ich bin kein Fürst.
Aber Sie sind sehr erfolgreich. Was halten Sie für die wahre Qualität ihres Werkes ?
Mein Erfolg ist abhängig vom großen Erfolg meiner Kollegen. Wir waren eine Phalanx von fantastischen Künstlern, wobei ich der Buhmann war. Aber die Nacht gehört zum Tage, ich habe keinen Grund zu klagen, wurde aber oft missverstanden.
Inwiefern?
Es wird nie darüber nachgedacht, warum man etwas macht. Wie bei meiner Beethoven-Skulptur, einer Figur, die das ganze Elend der Existenz, die Musik zu fassen versucht. Aber alle sagen: So hat Beethoven nicht ausgesehen. Das geht mir auf den Wecker, diese mangelnde Bildung. Die Leute verblöden, sie können ihre Fantasie nicht mehr mobilisieren, wenn sie Kunst sehen.
Sollten sie besser Bescheid wissen über Fragonard oder Dädalus, die bei Ihnen auftauchen?
Titel sind nur ungeschriebene Gedichte, Einfälle, Marotten. Ich versuche, Atmosphäre zu vermitteln. Keine Inhalte, sondern Gefühle.
Wollte Ihre Generation nach dem Krieg nicht eigentlich Aufarbeitung betreiben?
Im Faschismus war die Kunst unterdrückt. Wir mussten nicht den Faschismus verarbeiten, sondern diese Lücke. Das war eine gigantische Zäsur – als würde man einem Volk das Gehirn herausschneiden. Wir mussten dieses Verbot wieder gutmachen. Dabei haben wir das Malen entdeckt.
Sie wollten schon als Kind Maler werden – als Tätigkeit oder als Lebenshaltung?
Es gab keine Alternative. Ich habe nichts gelernt, keine Schule zu Ende gemacht, habe kein Abitur, nix. Ich musste Künstler werden, Bohème. Dafür habe ich es sehr weit gebracht, vor allem mit Titeln. Professor, Doktor, Senator, was wollen Sie noch? Magnifizenz 26 Jahre lang. . .
Sie waren Professor an der Düsseldorfer Akademie. Sind Sie ein guter Pädagoge?
Nein, ich bin ein Meister. Ich habe eine Akademie geführt, wie ich mir vorstelle, dass eine Akademie ist: eine Geniebude, wie ich immer scherzhaft sage. Sehr kunstbezogen. Die Kommunikation der Professoren war mir wichtig, daraus ist eine Atmosphäre entstanden, von der die Schüler profitieren konnten. Ich habe das Wort Student nie in den Mund genommen.
Waren Sie ein Professor alten Schlages, rigide, gnadenlos, bis die Tränen flossen?
Ein Professor ist kein Lehrer, sondern ein Meister, der sein Atelier öffnet, vermittelt und die Schüler in die Bohème führt. Meine Schüler mussten mir in den Mantel helfen, mir gehorchen, sie hatten es nicht leicht. Sie waren Opfer und mussten sich davon befreien. Als ich die Akademie geleitet habe, haben die Schüler gejammert, sie wollten modern sein, aber jetzt heulen sie der großen Zeit mit Markus Lüpertz nach.
Wie arbeiten Sie? Diszipliniert?
Ich arbeite möglichst immer. Ich hasse Unterbrechungen. Ich habe das Problem, dass ich mit meiner Familie einmal im Jahr in den Urlaub fahren muss, das genügt mir als Freizeit. Denn Malen ist wie Blumengießen: Einmal vergessen, stirbt die Blume.
Sind Sie mit sich zufrieden?
Nein, wie könnte ich? Ich bin nicht schön genug, ich bin für meine Ansprüche noch nicht weit genug, noch nicht berühmt genug. Ich hadere permanent mit mir, aber das sage ich keinem und lasse ich nicht zu.
Sie sind zum Katholizismus konvertiert. Gibt der Ihnen Trost und ein Zuhause?
Ich glaube an die Kirche, nicht unbedingt an Gott. Wir werden uns überraschen lassen, wenn wir tot sind, ob es ihn gibt. Die Kirche hat großartige kulturelle Dinge geliefert. Da fühle ich mich zu Hause. Aber ich kann die sozialen Päpste nicht ertragen, sie verraten das Mysterium, das Geheimnis.
Wo wollen Sie noch hin?
Ich will immer noch schönere, bessere, größere Bilder malen. Man muss sich steigern. Ich brauche noch ein paar Jahre.
Um dann grandios zu scheitern?
Ja, um grandios zu scheitern.