Exklusiv Matthias Wissmann, der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), hält trotz verschlechterter Konjunkturprognosen die Lage der deutschen Autohersteller weiterhin für gut. Die Stimmung sei schlechter als die Realität.

Berlin - Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), sagt zur Konjunkturlage, die Zahlen der Autohersteller seien besser als die Stimmung.
Die Konjunkturaussichten in Deutschland trüben sich ein. Der IWF warnt bereits vor einer neuen Rezession in der Eurozone. Ist Pessimismus angebracht?
Der Wettbewerb in Deutschland und Europa ist mit Sicherheit härter geworden. Die deutschen Automobilhersteller verzeichnen auf dem westeuropäischen Pkw-Markt aber nach wie vor Erfolge. Ihr Marktanteil beträgt 50 Prozent. Seit Januar steigerten die deutschen Konzernmarken ihren Absatz in Westeuropa um gut fünf Prozent. Natürlich spüren wir zunehmend die Unterschiede auf den Weltmärkten. Die Automobilmärkte in Russland und Südamerika sind wegen politischer Krisen und wirtschaftlicher Unsicherheiten schwierig. Der US-Markt und China hingegen laufen insbesondere für die deutschen Premiumhersteller, die in Baden-Württemberg ja eine starke Stellung haben, sehr gut. Sorgen macht uns, dass die politischen Gefahren wegen der Krisenherde in der Ukraine und im Nahen Osten zugenommen haben.
Wie spüren die deutschen Autohersteller den Konflikt mit Russland?
Der russische Markt war bereits 2013 rückläufig. Dies hatte zunächst mit der Abwertung des Rubel und der schwachen russischen Binnennachfrage zu tun. Nun kommen die politischen Auseinandersetzungen hinzu. Im bisherigen Jahresverlauf ging der Absatz dort um zwölf Prozent zurück. Bisher ist es der deutschen Automobilindustrie gelungen, die Schwäche in Russland mit höherem Absatz in anderen Märkten auszugleichen. Nur drei Prozent unserer gesamten Pkw-Exporte gingen 2013 nach Russland. In Europa ist das Bild gemischt. Die deutsche Automobilindustrie hat zwar mit Gegenwind zu kämpfen, doch sie steht nach wie vor gut da. Die Zahlen sind besser als die Stimmung.
Die Wirtschaft in Italien und Frankreich schwächelt. Werden diese Länder zum Bremsklotz für Europa?
Der mangelnde Reformeifer in beiden Ländern und der verschärfte Wettbewerb machen sich in beiden Ländern bemerkbar. In den Ländern, in denen es schleppend läuft, sollten die Regierungen ihre Aufgaben wahrnehmen und nicht ständig bei anderen Ländern die Schuld für die Schwierigkeiten suchen.
Es gibt bei den Lkw-Herstellern die ersten Fälle von Kurzarbeit. Erwarten Sie im Winter einen Anstieg der Kurzarbeit?
Wir sollten die Kirche im Dorf lassen. In der deutschen Automobilindustrie arbeiten derzeit 780 000 Stammbeschäftigte. Das ist der höchste Stand seit vielen Jahren. Auch die Kapazitäten sind gut ausgelastet. Der Anteil der Kurzarbeit beträgt gerade einmal 0,3 Prozent im verarbeitenden Gewerbe. Selbst wenn es in wenigen Fällen zu Kurzarbeit kommt, ist das bei Herstellern und Zulieferern insgesamt kein Thema. Es wäre ein Fehler, jetzt in Krisenstimmung zu verfallen. Natürlich dürfen wir die dunklen Wolken am Horizont durch politische Krisen auch nicht ignorieren.
Was sollte die Bundesregierung jetzt tun?
Die Bundesregierung sollte zunächst in Europa darauf dringen, dass jedes Land seine Reformaufgaben angeht. Spanien zeigt, dass dies der richtige Weg ist. Die Regierung muss aber auch die eigenen Hausaufgaben erledigen. Sie sollte jede weitere Belastung der Wirtschaft unbedingt vermeiden. Nach der Bundestagswahl hat es schon viele Maßnahmen gegeben, die der Wettbewerbsfähigkeit schaden. Die Politik ist klug beraten, jetzt eine Agenda 2030 zu entwickeln. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die zu Wachstum und neuen Arbeitsplätzen führen und die deutsche Industrie stärken.