Der Hip-Hopper Max Herre spricht im Interview über seine alte Heimat Stuttgart, sein neues Album „Hallo Welt“ und die Frage, warum er gern mit Leuten wie Cro oder Samy Deluxe zusammenarbeitet.
Stuttgart – „Stuttgart ist meine Heimat, Berlin ist mein Zuhause“, sagt Max Herre, der sein neues Album „Hallo Welt“ vorlegt. Ende der neunziger Jahre mischte er mit seiner Posse Freundeskreis die deutsche Hip-Hop-Szene auf. Mit dem Lied „A-N-N-A“ stürmte die Band 1997 die Charts. Im Umfeld der Fantastischen Vier, die damals ihr eigenes Hip-Hop-Label Four Music gründeten, war er Teil einer innovativen Szene, die ein neues Identifikationsgefühl bei jungen Stuttgartern weckte. Im StZ-Interview mit Simone Höhn spricht der 39-Jährige über S 21 und den OB-Wahlkampf, Stuttgarter Subkultur und das Prinzip der Kollaboration.
Max Herre, wie ist es, mal wieder in Stuttgart zu sein?
Gut, aber auch nicht anders als sonst. Ich bin sehr oft hier, etwa zehnmal im Jahr. Meine Eltern und viele Freunde von mir leben hier.
Wenn Sie sich an die Zeit hier in Stuttgart mit Ihrer Hip-Hop-Band Freundeskreis zurückerinnern – was war das für ein Lebensgefühl, Teil einer neuen Subkultur zu sein?
Das war toll. In Stuttgart war ja subkulturell nicht viel geboten, also haben es die Leute selbst in die Hand genommen. Es herrschte so eine Art Aufbruchstimmung. Man hat das eben nicht so serviert bekommen wie in einer großen Stadt, man musste aktiv werden. Es gibt auch heute viele innovative Einrichtungen wie zum Beispiel das Rocker 33, das Zapata oder die Wagenhallen. Aber vieles steht oft gleich wieder zur Disposition. Immer da, wo etwas entsteht, macht man es über kurz oder lang wieder platt. Das ist schade.
Da hat schon manch ein Kulturschaffender den Eindruck bekommen, gegen Windmühlen zu kämpfen.
In der Tat hat man sich in Stuttgart immer irgendwie in der Opposition gefühlt. Wir haben das Stuttgart gefeiert, das wir selbst generiert haben gegen alle Widerstände.
Und trotzdem kam irgendwann der gesammelte Abzug der Hip-Hop-Szene nach Berlin, Hamburg oder sonst wohin. Können Sie nachvollziehen, dass mancher lokale Fan das als „Verrat“ empfunden hat?
Nach Berlin zu ziehen hieß nicht, Stuttgart den Rücken zu kehren, was mein Song „Erste Liebe“ klar zum Ausdruck gebracht hat. Bei mir war der Umzug eine persönliche Entscheidung. Ich habe eine Berlinerin geheiratet, wir sind Eltern geworden, sie wollte zurück nach Berlin, und ich hatte irgendwann keine Argumente mehr.
Abgesehen vom Privaten: würden Sie zum Beispiel Ihrem momentan sehr erfolgreichen Kollegen Cro raten, der Karriere wegen in eine Großstadt zu ziehen?
Ich rate gar nichts. Cro kommt aus Schwäbisch Gmünd. Ich glaube, jeder Stuttgarter würde es verstehen, wenn man aus Schwäbisch Gmünd nach Stuttgart ziehen will. Komischerweise versteht kein Stuttgarter, dass Stuttgart für den ein oder anderen vielleicht auch nicht die Endstation ist.
Wie nehmen Sie den Widerstand gegen Stuttgart 21 wahr?
Ich war ja ein Teil davon, habe zum Beispiel im Park gespielt und anlässlich des Referendums. Das Votum ist nicht das, was die Mehrheit der Stuttgarter wollte. Das war ein sehr ungleicher Kampf um die Denkweise der Menschen, da ist ein Riss durch die Stadt gegangen, der auch längst nicht gekittet ist. Das Thema ist sicher nicht zu Ende diskutiert, die OB-Wahl wird zeigen, wie die Stuttgarter das bewerten.
Wer wäre Ihr Favorit als Stuttgarter Oberbürgermeister?
Ich mag Hannes Rockenbauch, er ist ein Städteplaner und kennt sich mit dem Thema aus. Er fühlt sich keiner Partei, sondern bestimmten Ideen verpflichtet. Außerdem ist er sehr eloquent.
Apropos eloquent, reden wir über Ihr neues Album. Die erste Single „Wolke 7“ ist direkt auf Platz sechs der Charts eingestiegen. Ein eher besinnliches, melancholisches Lied mitten im Sommer. . .
Ja, stimmt, es hat etwas Regnerisches im Gegensatz zu den anderen Balearen-Radiohits. Von daher ist das schon eine kleine Überraschung. Umso mehr freue ich mich, dass die Leute es gern haben.
Aber Sie haben sich doch bestimmt im Vorfeld überlegt, welches Stück am ehesten charttauglich sein könnte.
Man überlegt sich natürlich schon, welcher Song die größte Schnittmenge haben könnte. Es gibt ja auch eine bestimmte Reihenfolge, in der man seine Singles auskoppelt.
Auf dem Album sind viele illustre Gäste versammelt – viele Musiker greifen inzwischen auf dieses Prinzip zurück.
Im Hip-Hop ist es üblich, solche Kollaborationen zu machen, und ich mache das einfach gerne. Es ging nicht darum zu überlegen, wer gerade das Potenzial hat, mich nach vorne zu bringen. Ich mache Musik, überlege, wer könnte passen, rufe an und frage, ob die Leute Lust haben. Zumal dieses Prinzip auch schon von Freundeskreis beziehungsweise den FK Allstars mitentwickelt wurde, mit Gentleman, Sékou, Joy, Afrob und all den Leuten. Höre ich da so was wie einen kleinen Vorwurf heraus?
Das war kein Vorwurf. Es fällt einfach auf, dass das ein Trend unter Musikern ist, sich gefragte Künstler mit aufs Album zu holen.
Bei mir hat das nichts mit irgendeinem Trend zu tun. Ich bin eben gleichermaßen Produzent und Frontmann, ich will tolle Musik produzieren, und es gibt viele tolle Künstler.
Sie haben ja den Vorteil, dass Sie sowohl singen als auch rappen können.
Ja, ich kann singen wie Max Herre eben singen kann. Wenn ich mir zum Beispiel etwas in Patois vorstelle, dann hole ich mir lieber jemanden, der das auch wirklich kann, damit es auch wirklich nach Reggae klingt. Patrice oder Fetsum zum Beispiel.
Auf Ihrem neuen Album steht der Rap im Vordergrund. Zurück zu den Wurzeln?
Das weiß ich nicht, ich mache einfach so vor mich hin, meine Musik ist ein progressiver Prozess. Klar ist das ein Rap-Album, also definiere ich mich auch als Rapper, aber auch als Musiker und Produzent, der Spaß an verschiedenen Musikstilen hat.