Der Medienwissenschaftler Michael Haller wertet den Kauf der „Washington Post“ durch Amazon-Chef Bezos als positives Signal für die Zeitungsbranche.

Stuttgart - Der Medienwissenschaftler Michael Haller wertet den Kauf der „Washington Post“ durch Amazon-Chef Bezos als positives Signal für die Zeitungsbranche.

 
Herr Haller, was hat Amazon-Milliardär Bezos mit der „ Washington Post“ vor – ist sie eine Trophäe oder hat er ein Geschäftsmodell?
Das widerspricht sich ja nicht. Zunächst einmal ist es interessant, dass er das nicht als Amazon-Chef gekauft hat, sondern privat. Er hat das aus seinem privaten Vermögen finanziert. Vor allem spielt die Reputation der Zeitung eine große Rolle, aber man kann sich auch vorstellen, dass er damit weitere interessante Geschäftsmodelle realisieren wird.
Ist es eine Gefahr oder Chance für den Journalismus?
Das weiß ich nicht. Bezos ist in Bezug auf journalistische Medien unerfahren. Wir können nur von dem ausgehen, was angekündigt wurde. Danach sieht es so aus, als könnte die Redaktion so weiterarbeiten wie bisher. Und das ist eine gute Nachricht.
Bei der Vermarktung wird er sicher Ideen einbringen.
Bezos ist ein unglaublich cleverer Vermarkter in der Internetwelt. Da ist es naheliegend, dass er mehrmediale Ideen entwickeln wird, in die er die Washington Post als Marke einbindet. Offenbar hat die alte Verlegerfamilie in Bezug auf diesen Umbauprozess eher hilflos agiert. Die Verlegerfamilie merkte, dass das Online- und Internetgeschäft nicht so anzieht und die Bezahlinhalte nicht greifen – im Unterschied zur „New York Times“.
Sehen Sie den Kauf als Hoffnungszeichen oder als Bankrotterklärung einer Branche?
Für die Zeitungsbranche ist es mitnichten eine Bankrotterklärung. Es ist eher ein Zeichen dafür, dass die Transformation von der alten Printwelt in die crossmediale Welt sehr viel aufwendiger und schwieriger ist und viel mehr an innovativem Wissen erfordert, als es eine allzu sehr in den Printbahnen beheimatete Eigentümerfamilie konnte.
Kann man daraus auch Rückschlüsse für den deutschen Markt ziehen?
Es gibt in den USA ja eine ganze Reihe verschiedener Zeitungskäufe in letzter Zeit. Ein ganz wichtiger Rückschluss ist, dass offensichtlich viele Unternehmer, die in verschiedenen anderen Geschäftsfeldern unterwegs sind, durchaus der Meinung sind, dass Printmedien im crossmedialen Kontext sehr wohl eine Zukunft haben. Die Überlegungen sind also gar nicht so falsch, wie sie einige regionale Verlage auch bei uns betreiben: nämlich nicht von der Zeitung abzulassen, sondern eher zu überlegen, wie man das Zusammenspiel der klassischen mit den neuen Medien weiter vorantreibt.
Deutsche Medienunternehmen tun sich mit Konzepten für die digitale Welt ja schwer.
Das ist ein neuer Markt – und die Angebote für diesen Markt kann man nicht am Reißbrett erfinden. Man muss Risiken eingehen und experimentieren nach dem Muster: Versuch und Irrtum. Diesen Mut zu haben, im Zusammenbinden von Offline und Online weiter zu investieren und weiter zu entwickeln – das kann man aus diesen Verkäufen in den USA durchaus als Ermutigung mitnehmen.
Ist es denkbar, dass Jeff Bezos künftig journalistische Inhalte online bei Amazon verkauft?
Ja, aber naheliegender ist, dass er seinen eigenen digitalen Amazon Buchverlag besser vermarktet. Amazon hat eben nur ein Kaufhaus-Image. Interessante, bedeutende Publizisten gehen nicht zu Amazon Publishing. Das machen nur Autoren ohne Renommee. Wenn nun Bezos aber über die hoch renommierte Washington Post eine Serie anbietet, dem dann ein Nachdruck als eBook folgt – dann ist das etwas ganz anderes. Er hat erkannt, dass er Reputation nicht nur für sein Ego, sondern auch für seine Geschäftsideen braucht, und diese hinzukaufen muss.