Exklusiv Der Mercedes-Sportchef Toto Wolff glaubt, dass die neuen Turbo-Motoren die Formel-1-Teams vor eine große Herausforderung stellen. Er rechnet mit jeder Menge Pannen bei den Rennen.

Stuttgart - - Am Sonntag startet die Formel 1 in Melbourne in die Saison. Der Mercedes-Sportchef Toto Wolff (42) hofft, dass er und sein Team den Stern wieder zum Glänzen bringen. Doch er sagt auch: „Jetzt zu sagen, wir müssen wegen der guten Testfahrten auch Weltmeister werden, wäre total daneben und auch verfrüht.“
Herr Wolff, es gibt neue Motoren mit 1,6 Liter Hubraum. Stimmt der Sound?
Ja, der Sound stimmt. Es erinnert mich an die Turbomotoren der 1980er Jahre. Die Autos sind nach wie vor laut, aber nicht mehr schmerzhaft laut.
Hören Sie einen Mercedes-Motor unter den anderen Aggregaten heraus?
Ich bilde mir sogar ein, dass ich den Unterschied zwischen einem Williams, der ja auch mit unserem Motor ausgestattet ist, und einem Mercedes höre. Wir haben bei unserem Auto mehr mechanische Nebengeräusche als unsere Kunden.
Aber das Paket ist doch das gleiche.
Ja, aber die Getriebe sind anders und ein paar andere Antriebskomponenten auch.
1,6 Liter Hubraum mit Turbo – auf diese Werte kommt ja auch ein VW Golf mit 120 PS. Sind die neuen Formel-1-Autos für die Zuschauer überhaupt noch attraktiv?
Wenn Sie einen Golf haben, der 750 PS leistet, dann sind sie mit einem ziemlich mächtigen Teil unterwegs. Dieses Downsizing ist einfach die Entwicklung in der Serie und im Motorsport. Wir fahren effizienter und nicht mehr mit acht, zehn oder zwölf Zylindern, sondern sind mit 1,6 Liter Motoren so stark wie zuvor. Die Formel 1 ist nicht nur der Wettkampf der besten Piloten, sondern auch der Wettkampf der innovativsten Ingenieure. Das macht die Serie aus.
Und wenn nun in Melbourne die Hälfte der Autos mit technischen Problemen stehen bleibt, so wie es bei den Testfahrten war?
Drama! Ist das nicht die Formel 1? Manche sagen Chaos, das sehe ich nicht so. Wollen wir lieber einen Zug mit 24 Fahrzeugen und dem gleichen Kräfteverhältnis, so wie in den vergangenen Jahren? Einen Zug ohne Ausfälle und bei dem der Fahrer weiß: Wenn ich nach zwanzig Runden vorne bin, gewinne ich das Rennen?
Sie mögen es turbulent.
Nein, aber ich denke, wir werden kleine Dramen erleben, bei denen vielleicht der Führende am Ende ausfällt, so wie es früher war. Und man wird Benzin sparen müssen oder am Start nicht wegkommen, wenn die Technik einen Strich durch die Rechnung macht. Das würzt die Sache.
Sie können darüber sehr gelöst reden, denn bei Mercedes lief es bei den Tests ja prächtig.
Wir sind auf dem richtigen Weg. Aber es waren nur Testfahrten. Die Tests sind in diesem Jahr vielleicht ein bisschen wichtiger und aussagekräftiger als in den Jahren zuvor. Aber wir wissen ja auch nicht, mit wie viel Sprit die anderen Autos unterwegs waren. Wir haben gut ausgesehen, aber nach den letzten Übungseinheiten habe ich die gleichen, wenn nicht sogar etwas mehr Sorgenfalten auf der Stirn – vor allem im Hinblick auf die Standfestigkeit.
Gab es eigentlich einen problemlosen Testtag bei Mercedes?
Nein, den gab es nicht. Es reicht heute schon ein Pfennigdefekt, um nicht am Start zu stehen oder einen Test nicht zu Ende zu bringen. Rausfahren, stehen bleiben und wieder zurückschieben – und schon ist die Sache wieder gelaufen. So muss man es sehen. Wir stehen mit unserem Paket sehr gut da, da kann man vorsichtig optimistisch sein, doch als Erstes muss man ein Rennen beenden. Ich freue mich, wenn wir von der Performance her davon ausgehen können, dass wir in Melbourne einigermaßen vorne mit dabei sind, aber zu Ende fahren ist wieder ein anderes Thema.
Wenn das Auto stehen bleibt, ist das für die Fans spannend. Aber für die Marke Mercedes ist das nicht so gut, denn sie wollen ihre hoch entwickelte Technologie präsentieren.
Wenn man sich die Tests anschaut, hat Mercedes einen außerordentlich guten Job gemacht. Ich sage das jetzt nicht, weil ich ein Mercedes-Mann bin. Wir haben die meisten Kilometer erzielt, die beste Performance gezeigt und waren meistens die Autos, die am schnellsten gefahren sind. Und damit meine ich nicht nur das Werksteam, sondern auch die Kunden-Teams Williams, McLaren und Force India. Vor allem Williams hat gezeigt, dass deren Autos schnell sein können.