Noch mal zurück zum Stichwort Mut. Warum brauchten Sie den für „Liberace“? Weil der Film „zu schwul“ ist, wie viele Hollywood-Studios fanden?
Nein, das ist eine andere Geschichte. Für mich gehörte einfach eine Portion Mut dazu, mich darauf einzulassen, einfach weil die Rolle ja nicht unbedingt ein Kinderspiel war. Das fing schon an mit dem Klavierspielen, das ich natürlich so glaubwürdig wie möglich hinbekommen wollte. Abgesehen davon ist es immer eine Herausforderung, eine reale Person zu spielen, die jeder kennt. Davor könnte man schon zurückschrecken. Aber ich hätte über diese Rolle nicht glücklicher sein können, schließlich war ich so kurz nach meiner Krankheit gar nicht sicher, ob meine Karriere überhaupt weitergehen würde. Solche Angebote, mit einem so fantastischen Drehbuch und Mitstreitern wie Steven Soderbergh und Matt Damon bekommt man nicht alle Tage. Deswegen will man’s auf keinen Fall versauen.
Glauben Sie, dass „Liberace“ den Beginn einer neuen Phase in Ihrer Karriere markieren wird?
Das könnte man so sagen. Für mich ist das der Auftakt zu meinem dritten Akt. Der zweite ist mit einem ziemlichen Schrecken zu Ende gegangen und natürlich habe ich noch keine Ahnung, was die Zukunft für mich bereithält. Aber ich bin einfach sehr dankbar dafür, dass sich der Vorhang überhaupt noch ein weiteres Mal geöffnet hat. Nicht zuletzt in dem Sinne ist „Liberace“ für mich ein echtes Geschenk gewesen.
Ist es Ihnen schwer gefallen, sich diese Rolle anzueignen?
Das Hilfreiche bei einer Figur wie Liberace ist es, dass man sich von außen nach innen vorarbeiten kann. Das gesamte erste Jahr der Vorbereitung habe ich erst einmal damit verbracht, mir das Klavierspielen anzueignen. Parallel dazu habe ich an meiner Stimme gearbeitet, um zu klingen wie er. Schließlich begann die Suche nach den passenden Perücken und den farbigen Kontaktlinsen. Und natürlich liefen alle verfügbaren Videoaufnahmen von ihm bei uns in Dauerschleife. So habe ich mich Liberace Detail um Detail angenähert – und als ich schließlich aussah wie er, war es nur noch ein kleiner Schritt, auch noch die bereits beschriebene Lebensfreude zu verkörpern, die von ihm ausging.

„Ich musste nur begreifen, wie er tickt“

 
Haben Sie nach Parallelen zu Ihrer eigenen Persönlichkeit gesucht?
Nein, das war unnötig. Ich musste nur begreifen, wie er tickt. Dass er ein so genannter Befriediger war, der seinem Gegenüber jeden Wunsch erfüllen wollte. Und dass es ihm eigentlich stets um die Schönheit des Lebens ging. Deswegen greift er ja auch durch und zieht Konsequenzen, als sein Lebensgefährte Scott drogenabhängig wird. Mit den Schattenseiten des Lebens wollte er einfach nichts zu tun haben.
Im Film macht er sich lustig über Jane Fonda und ihren politischen Aktivismus. Das muss für Sie kurios gewesen sein, schließlich haben Sie selbst mit ihren politischen Ansichten und politischen Aktivitäten nie hinterm Berg gehalten.
In der Tat kamen mir diese abfälligen Bemerkungen nicht ganz leicht über die Lippen. Zumal ich Jane ja gut kenne und mit ihr damals „Das China-Syndrom“ gedreht habe, der auch eine klare politische Botschaft hatte. Aber es ging dabei nun mal um die Einstellung von Liberace, der sich von der Politik stets fern gehalten hat. Er pflegte die Philosophie der Nettigkeit und der makellosen Oberfläche. Deswegen hat er ja auch sein Privatleben stets strikt getrennt von seiner Bühnen-Persönlichkeit.