Können Sie nach 25 Sendungen auf einen Höhepunkt zurückblicken?
Es gab einige Höhepunkte und eine Erfahrung, die mir besonders in Erinnerung geblieben ist: Als das Germanwings-Unglück passierte, haben wir uns gefragt, wie wir als Sendung damit umgehen. Wichtig war uns, einen „Nachtcafé“-typischen Ansatz zu finden und nicht wie die vielen anderen nach Haltern, dem Heimatort vieler Opfer, zu schalten. Also habe wir Menschen gesucht, die ähnliche Erfahrungen wie die Betroffenen bei früheren Unglücken gemacht hatten. Die Sendung „Aus dem Leben gerissen“ haben wir in 48 Stunden auf die Beine gestellt. Nach der Sendung haben wir von vielen Angehörigen der Katastrophe positive Rückmeldungen bekommen.
Ist das eine Richtung, die eingeschlagen werden soll – schneller aktuell zu reagieren?
Das „Nachtcafé“ reagiert ja schon immer auf das, was in der Welt passiert – und die Grundqualität des Konzepts immer mit eigenem Ansatz zu reagieren, ist so gut, dass wir es fortsetzen werden. Wir werden allerdings nicht kurzatmig der Aktualität hinterherlaufen.
Die Grundqualität wird also bleiben. Soll sich an der Form etwas ändern?
Die Form soll sich noch stärker nach dem Inhalt richten. Wenn zum Beispiel die Geschichten unserer Gäste so komplex und intensiv sind, dass wir für sie mehr Zeit brauchen, dann werden wir sicher mal statt sieben nur vier Gäste haben. Da wollen wir flexibler werden. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass man noch Menschen außerhalb der Runde miteinschalten könnte – aus dem Publikum zum Beispiel. Die Entwicklung der Sendung ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf – sprich, wir werden Veränderungen stets langsam und behutsam vornehmen. Ich finde auch, dass das „Nachtcafé“ Potenzial hat, eine Anlaufstelle, ein Forum über den Freitagabend hinaus zu sein – sei es online oder durch Bücher. Wir reden über Werte, das Leben, das Sterben, das Lieben, das Verarbeiten von Schicksalsschlägen – über Themen, die jeden im Inneren betreffen. Diesen Diskurs in der Gesellschaft wollen wir über Sendungsgrenzen hinaus weiterführen. Wie, das sagen wir, wenn es so weit ist.
So wie Sie das „Nachtcafé“ definieren, gehört es doch eigentlich ins erste Programm?
Das freut mich, dass Sie das sagen. Das „Nachtcafé“ besetzt ja tatsächlich etwas, das es so im deutschen Fernsehen nicht oft gibt. Aber darum geht es mir in erster Linie nicht – außerdem haben über die Platzierung der Sendung andere zu entscheiden. Wehren gegen so eine Entscheidung würde ich mich aber sicher nicht.
In der ARD tummeln sich schon viele Talkshows. Bei Ihrer Professur an der TU Dortmund beschäftigen Sie sich mit der Zukunft der Medien. Ihrer Theorie nach: Welche Talks werden überleben?
Der Talk gehört auf jeden Fall zu den am meisten unterschätzten Genres, da steckt schon sehr viel Arbeit dahinter. Man kann da einiges falsch machen. Ich habe früher einmal Talkklassen definiert – Promitalk, Thementalk, Interview-Talk und so weiter. Der Konfrontations-Talk hat sich bei uns gar nicht etabliert, der Confessional Talk voller Emotionen ist schon ausgestorben. Den Polittalk wird es immer geben, weil man aktuelle Themen immer mit Experten erörtern möchte. Den Themen-Talk, zu dem ja auch das „Nachtcafé“ gehört, wird es auch immer geben – alles andere ist von den Sehgewohnheiten abhängig. Der Interviewtalk zum Beispiel, mit einem Gast pro Sendung, ist inzwischen auch selten geworden.
Wodurch macht sich das gute alte „Nachtcafé“ unsterblich?
Unser Alleinstellungsmerkmal sind die unbekannten Gäste, die sechzig Prozent der Sendung ausmachen und auf Augenhöhe mit Prominenten diskutieren sowie Experten als Brücke zur Wissenschaft. Und wir setzen auch auf Themen, die auf den ersten Blick schwer wirken. Dass so viele einschalten, ist uns Ansporn, so weiterzumachen.
Im Gegensatz zu früher entstehen auch zwischen den Talkgästen Gespräche. Etwas Neues, das sie bewusst zulassen?
Es ist doch gut, wenn die Gäste aufeinander neugierig sind. Wenn aus einem Dialog ein Mehrwert für den Zuschauer erwächst, ziehe ich mich gern zurück.