„Nach der Vorrunde war ich nicht mehr die nette Schwester“, sagt die deutsche Nationaltorhüterin Nadine Angerer im StZ-Interview. Wie sie die beiden Elfmeter gegen Schweden gehalten hat – und wie sie für die EM sechs Kilo abgenommen hat.

Solna – - Nadine Angerer kam mit Mütze und einer Tasse Kaffee. Aber ohne EM-Pokal. Die Spielführerin des deutschen Frauennationalteams hatte nicht nur mit zwei Elfmeterparaden beim 1:0 gegen Norwegen im Finale den Grundstein zum achten EM-Titel gelegt. „Nach der Vorrunde war ich nicht mehr die nette Schwester“, sagte die 34-Jährige kurz vor dem Heimflug über ihre Rolle im Team.
Erzählen Sie zuerst mal, wie nach dem EM-Finale die Feier im Hotel in Solna ablief?
Wir waren die Nacht zusammen, haben getanzt, getrunken, gefeiert. Feiern kann dieses Team: Die Feuertaufe ist bestanden.
Sind Sie so etwas wie die große Schwester für Ihre Mitspielerinnen?
Das trifft es tatsächlich. Von der Mutter hat man immer die Vorstellung, dass sie Regeln vorgibt und streng ist. Das bin ich gar nicht. Meine Art ist es nicht, dass ich etwas vorgebe – und die anderen folgen mir. Die Jüngeren müssen ihren eigenen Weg gehen. Man muss sie laufen lassen und nur ein Machtwort sprechen, wenn es nicht läuft.
Das haben Sie ja auch getan: Was ist genau vor dem Viertelfinale gegen Italien passiert, als die deutsche Team auch wirklich als Gemeinschaft auftrat?
Nach der Vorrunde war ich nicht mehr die nette Schwester. Das war auch angebracht. Ich hatte eine verantwortungsvollere Rolle als bei der WM 2011. Nach den ersten Spielen wusste ich, was in dem Team steckt. Aber es hat sein Potenzial nicht abgerufen. Da wurde ich total sauer. Wir haben uns dann ohne Trainerin zusammengesetzt. Wir wollten nicht versagen wie 2011.
Sie konnten als gutes Vorbild vorangehen: Die Bundestrainerin hat ja verraten, dass Sie sechs Kilo abgenommen haben . . .
. . . oh Gott, das wieder. Ich war ja nicht dick vorher, aber ich habe einfach mein Training komplett umgestellt. Eigentlich ganz lustig: vor der WM 2007 habe ich die Torwarttechnik total verändert, jetzt habe ich gemerkt, dass mein Training nicht optimal ist und ich mehr aus mir herausholen kann. Im athletischen Bereich arbeite ich jetzt anders. Crossfit heißt die Methode. Jede Übung beansprucht ganzheitlich die Muskulatur, möglichst den ganzen Körper. Ich habe dadurch meine besten Ausdauerwerte, meine besten Sprintwerte, meine beste Sprungkraft. Ich habe das in Extraschichten gemacht.
Im Fitness-Studio?
Ich hasse Fitness-Studios! Ich habe viel alleine draußen trainiert. Ich habe mir die Materialien – Sprungseile und Taue, Kettlebells (Kugelhanteln, Anmerkung der Redaktion) oder Autoreifen – auch nach Fuerteventura schiffen lassen, damit ich vor der EM auch dort arbeiten konnte. Ich war viel am Strand und in der Natur und habe echt hart gearbeitet. Diese Art von Training ist für jeden etwas, von der Hausfrau bis zum Manager. Ich möchte das gerne auch anderen Leuten beibringen.