Beim Musikfest Stuttgart dirigiert der Engländer Neville Marriner die Junge Deutsche Philharmonie. Das passt: der Neunzigjährige wirkt ziemlich fit. Und weiß genau, was er will.

Stuttgart - In London gründete Neville Marriner 1959 die Academy of St Martin in the Fields, von 1983 bis 1989 war er Chefdirigent des SDR-Orchesters in Stuttgart.
Sir Neville, im April wurden Sie neunzig. Stimmt es, dass Dirigenten umso besser werden, je älter sie sind?
Ich weiß nicht, ob ich besser werde, aber man wird reifer, was ganz befriedigend ist.
Was ist das Geheimnis des Dirigierens?
Wenn man beispielsweise wie ich ein Geiger, aber kein Virtuose ist, dann passiert es, dass man nicht in der Lage ist, das auszudrücken, was man fühlt. Das ist so, als ob ein Schauspieler einen Sprachfehler hat. Als Dirigent hat man viel mehr Kontrolle über das Instrument, mit dem man arbeitet: das Orchester. Tendenziell ist man mit dem Endprodukt zufriedener.
Es scheint hilfreich, ein Streicher zu sein.
Ja, man spricht mit einem großen Teil des Orchesters die gleiche Sprache. Die Academy of St Martin in the Fields besteht zu achtzig Prozent aus Streichern. Und man weiß genau, wie man den Musikern hilft – schließlich hat man den gleichen Frust mit dem Instrument erlebt wie sie.
Wie erinnern Sie Ihre Zeit in Stuttgart beim SDR-Orchester?
Ich hatte außerordentliches Glück mit dem damaligen Orchester-Management. Deshalb waren die Musiker mehr an Musik interessiert als an Finanzen oder Gewerkschaftsauflagen. Kritisch war rückblickend vielleicht, dass wir in der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen wurden.
Was sagen Sie zur Fusion der beiden SWR-Orchester?
Ich habe immer befürchtet, dass das eines Tages passieren würde. In gewisser Weise waren wir in einer luxuriösen Lage. Wir hatten glaube ich 120 Spieler, brauchten aber meist nur neunzig – eine teure Sache. So lange das neue Orchester die besten Musiker behält und seine Standards aufrecht erhält, sehe ich da keine Probleme.
Waren Sie schon einmal zu Gast bei der Jungen Deutschen Philharmonie?
Das ist mein Debüt! Für Dirigenten ist es ein großes Vergnügen, mit jungen Musiker zu arbeiten: die brennen darauf, Musik zu machen, sitzen auf der Stuhlkante.