Ihre Personalie galt als große Überraschung im neuen Landeskabinett. Die Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut betont, dass sie wegen ihres Sachverstands ins Amt gekommen ist.

Die 43-jährige Nicole Hoffmeister-Kraut ist die erste Wirtschaftsministerin Baden-Württembergs. Die Gesellschafterin beim Balinger Unternehmen Bizerba will das Land bei der Digitalisierung voranbringen, das Bildungszeitgesetz überarbeiten und mehr Gründergeist im Land wecken.
Frau Hoffmeister-Kraut, die baden-württembergischen Unternehmen wollten nicht, dass Guido Wolf Wirtschaftsminister wird. Sind Sie jetzt die Ministerin, die die Wirtschaft bestellt hat?
Wenn Wirtschaftsverbände so große Bedenken haben, wie es von ihnen vorgebracht wurde, sollte man sich schon überlegen, wie man damit umgeht. Das hat die CDU intern gemacht. Ich selbst hatte meine Finger da nicht im Spiel.
Warum zieht es eine Unternehmerin überhaupt in die Politik? Wissen Sie nicht, dass die Entscheidungen hier oft langwierig sind und Sie viel mehr Interessen berücksichtigen müssen als in der Wirtschaft?
Vielleicht tut es der Politik ganz gut, dass ich aus der Wirtschaft komme und auch mal andere Ansätze mitbringe. Ich werde mich natürlich in die neuen Strukturen einfügen, aber ich muss schon zugeben, dass es mir in der Politik manchmal nicht schnell genug geht.
Manche in der Wirtschaft befürchten, Sie könnten als Neuling nicht genug Rückhalt in der Fraktion haben, um schwere Entscheidungen durchzubringen. Möglicherweise, weil Ihnen manche den Blitzaufstieg nicht gönnen?
Ich bin in der Fraktion sehr gut verankert. Alles Weitere wird man sehen. Jetzt muss erst mal jeder seine Rolle finden.
Wie sehen Sie Ihre Rolle?
Ich will ganz pragmatisch die Wirtschaftspolitik in diesem Land voranbringen.
Braucht es überhaupt Wirtschaftspolitik? Die Geschäfte laufen doch gut.
Wir unterstützen die Wirtschaft insbesondere auch im Forschungsbereich, ich werde neue Programme fürs Handwerk und den Mittelstand hinzufügen. Wir arbeiten auch eng mit den Industrie- und Handwerkskammern zusammen. Wir organisieren Delegationsreisen, damit die Wirtschaft ihre bestehenden Exportmärkte pflegen und neue Märkte erschließen kann. Und wir unterstützen Innovationszentren. Aber natürlich wird Wirtschaftspolitik stark von Berlin geprägt. Insofern ist es wichtig, dass wir zum Bund einen engen Kontakt pflegen - das gleiche gilt übrigens für die Europäische Union.
Ein Thema hat die Wirtschaft in letzter Zeit umgetrieben: Das Bildungszeitgesetz. Wie stehen Sie als Unternehmerin zu dem Thema?
Die fünf Tage Bildungsurlaub können für Fortbildungen aller Art genutzt werden. Wir wollen erreichen, dass sich der Bildungsurlaub auf betriebsbezogene Fortbildungen konzentriert. Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Mitarbeiter die Bildungszeit bezuschusst, wenn er komplett frei ist bei der Wahl der Fortbildung. Wir haben ja im Koalitionsvertrag vereinbart, eine Evaluierung vorzunehmen und dann zu schauen, ob es Änderungsbedarf gibt.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagt, viele Unternehmen in Baden-Württemberg ticken grün. Ist das so?
Das Umweltbewusstsein ist vor dem Hintergrund der knappen Ressourcen und des Klimawandels schon lange kein rein grünes Thema mehr. Heute versucht jedes Unternehmen nachhaltig zu wirtschaften. Das ist ein Zeitgeist, den wir uns leisten können, das geht vielen Ländern anders.