Exklusiv-Interview: Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid (SPD) fordert von den Beamten Zugeständnisse bei der Übernahme des Tarifabschlusses im öffentlichen Dienst. Eine Nullrunde sei aber „unwahrscheinlich“.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart – Herr Schmid, gemessen an Ihren Erwartungen zu Beginn der Tarifrunde, haben die Arbeitgeber allzu sehr nachgeben müssen?
Es ist ein klassischer Kompromiss. Die Gehaltssteigerungen sind happig und die Arbeitgeber sind bis an die Grenze ihrer Möglichkeiten gegangen. Wichtig ist, dass es eine lange Laufzeit gibt und die jährliche Tarifsteigerung gegenüber den Forderungen gedämpft wurde. Im Prinzip bekommt Verdi weniger als gefordert und das Ganze auf zwei Jahre gestreckt. Das war die Grundlage für den Kompromiss. Tatsache ist aber auch, dass der Gehaltszuwachs über dem langjährigen Mittel von 1,5 Prozent liegt und den Landeshaushalt massiv belasten wird.

Sie haben doch nicht im Ernst damit gerechnet, dass lediglich 1,5 Prozent im Abschluss herausspringen?
Natürlich nicht, weil wir gerade in einer Phase überdurchschnittlicher Gehaltszuwächse sind. Aber wir gehen unabhängig von den aktuellen Verhandlungen davon aus, dass der langjährige Schnitt über 30 Jahre bei 1,5 Prozent Gehaltszuwachs liegt. Jetzt haben wir Jahre, in denen er darüber liegt – dann werden wieder Jahre mit niedrigeren Zuwachsraten kommen.

Haben Sie zu defensiv geplant?
Wir planen immer mit 1,5 Prozent – das ist der normale Ansatz in der mittelfristigen Finanzplanung. Das darf man nicht mit irgendwelchen Erwartungen verwechseln. Hätten wir zwei oder drei Prozent eingeplant, hätten wir hingegen Erwartungen der Gewerkschaften auf ein höheres Tarifergebnis geweckt.

Die zweite Stufe der Anhebung ist höher als die erste – erwarten Sie steigende Steuereinnahmen für 2014?
Die jüngste Steuerschätzung geht davon aus, dass 2014 die Konjunktur wieder anspringt und die Steuereinnahmen leicht steigen. Allerdings ist die Schätzung wegen der unsicheren Konjunktur außerordentlich risikobehaftet.

Wie teuer wird der Abschluss für das Land?
Wir gehen davon aus, dass der Abschluss – bezogen auf alle Tarifbeschäftigte, Beamte und Versorgungsempfänger – über den Doppelhaushalt hinweg insgesamt eine hohe dreistellige Millionensumme ausmacht, und zwar über den Planansatz von 1,5 Prozent hinaus.

Wo kann man das Geld einsparen: Über eine höhere Verschuldung oder mit Kürzungen in allen Ressorts?
Genau diese Frage müssen wir in der Regierungskoalition besprechen. Tatsache ist, dass eine zeit- und inhaltsgleiche Übertragung auf die Beamten im Haushalt nicht eingeplant ist und im Moment nur durch höhere Schulden finanziert werden könnte. Das kommt für uns nicht infrage. Für eine vollkommene Eins-zu-eins-Übertragung sehe ich keine Spielräume. Da müssen wir im Gespräch mit den Beamtenverbänden erörtern, was haushaltsschonendere Varianten sein könnten.

Eine Deckelung oder Nullrunde würden den Weg zu einem konstruktivem Miteinander völlig versperren.
Wir werden alle Optionen prüfen. Allerdings ist eine absolute Nullrunde unwahrscheinlich, wenn Baden-Württemberg aus dem Geleitzug der Länder ausbrechen würde. Das müssten die Länder gemeinsam machen, was ich aber nicht sehe.

Das heißt, Sie wären am ehesten für eine Verschiebung der Besoldungserhöhung?
Alle Varianten liegen auf dem Tisch. Wir sind aber an einem Dialog mit den Beamtenverbänden interessiert, um auch weitere Themen zur Haushaltskonsolidierung zu besprechen – wie Personalabbau und Aufgabenkritik. Da wünschen wir ihre Mitwirkung.

Die Atmosphäre im Beamtenbereich ist vergiftet. Wie lassen sich die Wogen glätten?
Wir sind mit beiden Beamtenorganisationen in Gesprächen gewesen. Der Beamtenbund hat sie einseitig abgebrochen. Ich gehe davon aus, dass er zum Dialog zurückkehren wird. Mit dem DGB haben wir das Gespräch wegen der Tarifrunde nur ausgesetzt.

Müssen Sie erst mal Ihren Koalitionspartner überzeugen, dass sich der Dialog mit den Beamten lohnt?
Das hat der Koalitionspartner nie in Frage gestellt.

Den Lehrer bleibt der Eingruppierungstarifvertrag versagt – ist das gerecht?
Diese Frage kann man nur in sehr langen Zeiträumen lösen. Da ist eine qualifizierte Verhandlungszusage vereinbart worden – es ist auch sinnvoll, sich das noch einmal in Ruhe anzuschauen. Doch werden wir auch da sehr darauf dringen, dass die Mehrausgaben für den Haushalt überschaubar bleiben oder wenigstens über viele Jahre gestreckt werden.

Ist es nicht willkürlich, dass eine Gehaltseinstufung einseitig vom Arbeitgeber festgelegt wird statt im Tarifvertrag?
Wir stemmen uns auch nicht dagegen. Die Frage ist nur, in welchen Zeiträumen wir was bezahlen können. Wir werden nicht die Ungerechtigkeit von Jahrzehnten auf einen Schlag beheben können, zumal auch die GEW das Thema in der Vergangenheit schon zu Gunsten von anderen Forderungen an den Rand geschoben hatte.

Bei der Anhebung der Urlaubstage auf 30 Tage für alle Beschäftigten mussten die Arbeitgeber nachgeben.
Aufgrund der Urteilslage zur Altersdiskriminierung war eine Neuregelung wohl unvermeidlich. Dass man dann auf dieses Niveau geht, ist ärgerlich. Aber an dem Punkt konnte man den Tarifabschluss nicht mehr scheitern lassen.