Eine verlässliche Ganztagsbetreuung, mehr Bildungsgerechtigkeit und ein ausgeglichener Haushalt – SPD-Landeschef Nils Schmid hat sich viel vorgenommen. Und er kann beim Parteitag am Samstag in Singen auf ein überzeugendes Wahlergebnis hoffen.

Stuttgart - Nils Schmid kann am Samstag in Singen auf ein überzeugendes Wahlergebnis hoffen. Die SPD zeigt sich ein Jahr vor der Landtagswahl geschlossen, dennoch ist sie in einer schwierigen Lage.
Herr Schmid, in der jüngsten Fraktionssitzung soll gelacht worden sein. Woher rührt die gute Stimmung in der SPD?
Wir haben in den vergangenen eineinhalb Jahren hart dafür gearbeitet, die SPD-Positionen in der Landespolitik nach vorne zu bringen, und wir haben die Geschlossenheit zwischen Regierung, Fraktion und Partei deutlich verbessert. Das hebt die Stimmung.
Die Umfragen geben keinen Anlass für gute Laune. Im Land krebsen Sie bei 20 Prozent herum, im Bund stagnieren Sie bei 25 Prozent. Es geht nicht voran, obwohl Sie nahezu alle Wahlversprechen umgesetzt haben.
Da liegt noch ein mächtiges Stück Arbeit vor uns. Ich rate dringend, dass wir bei den Themen Sozialpolitik und gerechte Bildungspolitik nicht nachlassen und gleichzeitig die wirtschaftliche und gesellschaftliche Modernisierung nach vorne rücken. Wir sind im Land diese Zukunftsthemen offensiv angegangen, deshalb blicken wir zuversichtlich in die Zukunft. Wir haben eine solide Bilanz vorzuweisen: in der Haushaltspolitik mit der dreimaligen Nullverschuldung, in der Bildungspolitik mit wesentlichen Schritten hin zu mehr Bildungsgerechtigkeit durch die Abschaffung von Studiengebühren und die Einführung von Gemeinschaftsschulen. Darauf können wir aufbauen, und wenn wir geschlossen auftreten, können wir das Land so in die Zukunft führen.
Die Landesregierung bekommt ganz gute Noten, nur nicht in der Bildungspolitik. Ausgerechnet die verantwortet die SPD.
Die guten Noten für die Landesregierung sind das Ergebnis einer gemeinschaftlichen Anstrengung. Die SPD leistet in den Schlüsselressorts gute Arbeit. Auch die Bildungspolitik ist Ergebnis der gemeinsamen Arbeit. Dass die Bildungspolitik zentral ist, ist keine Frage, deshalb mobilisieren wir mit dem Bildungsnachtrag zusätzliche Ressourcen für Ganztagsschulen, Inklusion und auch für Realschulen und die Unterrichtsversorgung allgemein.
Reicht das aus?
Die Erwartungen an die Bildungspolitik sind gerade in unserer Wählerschaft außerordentlich hoch. Wir werden nicht in einer Legislaturperiode den gesamten Reformstau der CDU auflösen können. Umso wichtiger ist es, dass wir auch nach 2016 Politik für gleiche Bildungschancen in Baden-Württemberg machen können. Ich halte es für unverzichtbar, dass wir vom ersten Geburtstag bis zum letzten Schultag eine Ganztagsgarantie geben können. Das ist neben einem ausgeglichenen Haushalt mein großes politisches Ziel.
Ist das ein Wahlversprechen?
Die Ganztagsgarantie wird ein ganz zentrales Wahlversprechen der SPD sein. Wir treten wie keine andere Partei für Bildungsgerechtigkeit ein. Aber wir denken auch gerechte Bildung und starke Wirtschaft zusammen. Eine Ganztagsgarantie unterstützt nicht nur die individuelle Förderung der Kinder und Jugendlichen in jeder Bildungsphase, sondern sie schafft auch die Voraussetzungen dafür, Beruf und Familie über die verschiedenen Bildungsphasen hinweg planbar unter einen Hut zu bekommen. Sie ist auch ein starkes Argument, um den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels vorn zu halten.
Was werden Sie noch versprechen?
Eines meiner zentralen Anliegen ist eine Ausbildungsplatzgarantie für Jugendliche im Land. Der erste Schritt ins Berufsleben ist eine gute Ausbildung, und dieser Schritt muss in Baden-Württemberg einfach gelingen.
Beim Parteitag werden Sie zum Spitzenkandidaten gekürt. Was erwartet uns in Singen?
Es erwartet uns ein schwungvoller Parteitag, bei dem ich deutlich machen werde, was ich für das Land für richtig halte. Ich habe in den vergangenen vier Jahren an der Regierung beweisen können, dass die Finanzen des Landes und Wirtschaft und Beschäftigung bei mir und der SPD in guten Händen sind. Neben der Ganztagsgarantie haben wir die stete Aufgabe, das Ziel des strukturell ausgeglichen Haushalts bis 2020 anzusteuern. Dazu gehört eine gerechte Steuerpolitik, für die ich seit vielen Jahren stehe. Es geht auch darum, Innovationen wie Industrie 4.0 oder Elektromobilität weiter voranzubringen. Ich als Person stehe außerdem dafür ein, die Vielfalt des Landes als Trumpfkarte und nicht als Bedrohung zu verstehen. Nicht zuletzt geht es darum, den unverhohlenen Rollback, den die CDU Baden-Württemberg anstrebt, entschieden zurückzuweisen.
Die SPD steht im Wahlkampf auf einer unangenehmen Zwischenposition. Die Auseinandersetzung wird sich zwischen dem Herausforderer Wolf und dem Amtsinhaber Kretschmann zuspitzen. Wo bleiben Sie und die SPD?
Die SPD ist in einer glücklichen Ausgangslage. Die Koalitionsfrage ist geklärt. Wir wollen mit den Grünen weiterregieren, und zusammen haben wir eine klare Machtperspektive. Wir liegen in Schlagweite zu den Grünen. Letzten Endes wird es also ein Dreierrennen geben. Wir werden deutlich machen, dass die SPD mit mir für die Zukunft des Landes steht, und das untermauern mit Aussagen zu guter Arbeit, gerechter Bildung und der Bedeutung von Familien für den Zusammenhalt im Land.
Sie können aber angesichts der hohen Beliebtheit von Winfried Kretschmann nicht gut sagen, Sie wollten Ministerpräsident werden.
Die SPD wird immer den Anspruch erheben, den Ministerpräsidenten zu stellen, aber diese Frage wird im Verlauf des Wahlkampfs entschieden. Jetzt wollen wir zusammen mit den Grünen das Land gut regieren. Winfried Kretschmann und ich sind uns einig, dass wir keine persönliche Profilierung auf Kosten des anderen suchen werden.
Schließen Sie eine Koalition mit der CDU von vorneherein aus?
Mit der erzkonservativen CDU im Land, die durch Guido Wolf die Restauration hin zu alten Verhältnissen anstrebt, kann es kein Regieren geben. Der Hauptgegner der SPD ist die CDU.
Hemmt die große Koalition im Bund die Angriffslust gegenüber der CDU?
Wir werden gegenüber dieser CDU in Baden-Württemberg sicher keine Beißhemmung haben. Sie macht es uns leicht, denn sie hat alle Fortschritte der Bundesregierung für die Beschäftigten und für die Mieter bis aufs Messer bekämpft. Guido Wolf ist gegen den Mindestlohn angerannt. Der CDU-Vorsitzende Strobl hat die Mietpreisbremse massiv torpediert, die CDU Baden-Württemberg argumentiert immer noch gegen die Rente mit 63 an. Sie ist in Fragen der Integrationspolitik weit hinter Frau Merkel zurück. Da gibt es genügend Futter für einen schwungvollen Wahlkampf.
Sie sagen, Kretschmann und Schmid tun sich nichts. Das Thema Digitalisierung hat der Ministerpräsident selbst besetzt. Wie sehr hat Sie das als Wirtschaftsminister geärgert?
Das hat mich nicht geärgert. Kretschmann kann aufbauen auf der Arbeit, die ich seit Jahren leiste. Für mich ist entscheidend, solche Zukunftsthemen nicht nur technologisch voranzubringen, sondern auch mit Blick auf die Beschäftigten.
Für wen macht die SPD in Baden-Württemberg Politik? Es gibt ja kein ausgeprägtes Arbeitermilieu.
Für die breite Mitte der Gesellschaft. Für die Familien, für die Beschäftigten, auch für die Unternehmen, die ein Recht auf attraktive Rahmenbedingungen haben. Da wir nicht mehr eine reine Arbeiterpartei sind, geht es nun darum, den Zweiklang Gerechtigkeit und Innovation, sozialer Zusammenhalt und gesellschaftliche Modernisierung zu verkörpern. Gerade in Baden-Württemberg gilt: Fortschritt nur mit uns.
Die FDP hat Sie als den „kleinen Nils“ verunglimpft. Trifft Sie so etwas?
Da es von der kleinsten Partei im Landtag kommt, kann ich das „klein“ richtig einordnen. Ich weiß, was ich tue, was ich kann und wofür ich stehe. Nach vier Jahren Regierungshandeln ist mein Profil sehr klar. Ich will das moderne Baden-Württemberg schaffen. Ich habe damit angefangen über die Fachkräfteallianz und über die historische Verständigung mit den kommunalen Landesverbänden bei der Kleinkindbetreuung, der Ganztagsbetreuung und der Inklusion. Da können sich die Bürger ein eigenes Bild machen. Entscheidend ist, dass die SPD gut abschneidet.
Welche Eigenschaft von Winfried Kretschmann hätten Sie gerne?
Ich wäre gerne Ministerpräsident.
Welche von Guido Wolf?
Keine.