Die Schauspielerin Nina Hoss spricht über ihre Schönheit, ihre Hilfe für Indianer in Brasilien und ihre Stimme für Joachim Gauck.

Stuttgart - Als im September am Deutschen Theater in Berlin das Drama "Öl" uraufgeführt wurde, reagierten die Kritiker zurückhaltend. Bei allen Einwänden gegen Stück und Inszenierung aber lobten sie fast ausnahmslos die starke Hauptdarstellerin Nina Hoss, die am Freitag um 20 Uhr im Stuttgarter Schauspielhaus zu sehen ist - eben im Kammerspiel "Öl", zu dem Hoss eine besondere Beziehung hat.

Frau Hoss, Sie zählen zu den wenigen privilegierten Spielerinnen, die sich ihre Rollen im Film und im Theater nach Belieben aussuchen können. Was machen Sie gerade?


Ich bin in den Vorproben zu "Kinder der Sonne", einem Drama von Maxim Gorki, das Stephan Kimmig im Oktober in Berlin rausbringen wird. Und dann drehe ich einen Film, "Fenster zum Sommer" von Hendrik Handloegten: Er handelt von einer Frau, die aus der Zeit fällt, drei Monate zurück, die also alles noch einmal erlebt und dabei versucht, ihrem Leben eine andere Wendung zu geben.

Warum können Sie sich just für diese Rolle und diese Geschichte erwärmen?


Die Grundidee, eine alternative Biografie in die Welt zu setzen, ist ja nicht neu. Trotzdem finde ich sie faszinierend. Zum einen schauspielerisch, weil ich das Porträt einer Frau zeichnen muss, die durch den Zeitsprung enorm verunsichert wird: Ist das alles ein Traum? Oder doch Realität? Zum anderen fasziniert mich der Stoff inhaltlich, weil die Frau plötzlich spielerischer mit Lebensmöglichkeiten umgeht. Dabei wird sie sich auch ihrer Verantwortung für andere Menschen bewusst - und der Chance, gerade durch dieses Mitleiden und Mitempfinden ihr Leben zu bereichern.

Bereichern will sich auch die Frau, die Sie bei Ihrem Stuttgarter Gastspiel zeigen, übrigens wieder in der Regie von Stephan Kimmig - bereichern will sie sich allerdings nicht menschlich, sondern materiell.


Man sieht in "Öl" einer Frau zu, die Geld mit Glück gleichsetzt. Dass dieses Geld auf unlautere Weise verdient wird, auf dem Rücken ausgebeuteter Menschen, zu Lasten ausgebeuteter Natur, ahnt diese Eva Kahmer zwar, aber sie verdrängt es komplett. Eben deshalb redet sie sich in den Wahnsinn, wird zynisch und bösartig...

... und säuft sich die Welt schön, wenn sie, während sie säuft, mit Daumen und Zeigefinger den Grad ihrer Trunkenheit anzeigt.


Sie ist eben eine große Sauf- und Verdrängungskünstlerin, die - gerade weil sie dem Glück entgegenfiebert - hoffnungslos vom Unglück weggeschwemmt wird.

Apropos Unglück: Sie spielen oft Frauen, die verzweifelt in Abgründe blicken. Steht Ihnen da Ihre Schönheit nicht im Weg?


Nein! Ich definiere mich doch nicht über mein Aussehen. Ich nehme mich und mein Äußeres zwar wahr, aber gewiss nicht unter der Kategorie "schön"...

... als schön gelten Sie aber in der öffentlichen Wahrnehmung, da kommen Sie nicht dran vorbei!


Doch! Denn ich darf mich um diese Wahrnehmung überhaupt nicht kümmern. Andernfalls wäre ich als Schauspielerin blockiert und in meiner Arbeit radikal eingeschränkt: Entweder würde ich versuchen, dem Bild der "schönen Frau" zu entsprechen - oder ich würde versuchen, es ständig zu unterlaufen. So oder so: ich wäre in meinem Spiel nicht mehr frei. Furchtbar!