Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Wie erklären Sie sich den oft aggressiven Ton mit vielen Beschimpfungen?
Ich glaube, dass in Teilen das antiautoritäre Erziehungsmodell der 68er jetzt erst richtig Früchte trägt. Dabei gilt für mich das Wort von Rosa Luxemberg, dass die Freiheit immer die Freiheit der Andersdenkenden ist. Diese Härte im Umgang bekommen alle Politiker zu spüren. Das ist eine wesentliche Ursache dafür, dass begabte junge Leute nicht mehr für ein Bürgermeisteramt kandidieren wollen.

Sie werden am 7. Januar an der Spitze des Rathauses von Fritz Kuhn abgelöst. Welche Eigenschaften muss ein OB mitbringen, um eine Großstadt zu führen?
Jeder soll das Amt so wahrnehmen, wie er es für richtig hält. Fritz Kuhn ist klug und erfahren genug, um das Amt auszufüllen. Aus meiner Sicht wird es auch künftig wichtig sein, überparteilich aufzutreten und sich zu bemühen, im Gemeinderat für Entscheidungen einen breiten Konsens zu finden. Diese politische Kultur im Rathaus halte ich für sehr wichtig.

Welche Themen werden in Zukunft wichtig sein für Stuttgart?
Die liegen ja auf der Hand. Die Frage der Bildung wird weiter eine wichtige Rolle spielen. Wir müssen nicht nur mehr Krippenplätze schaffen, wir benötigen dafür auch die Räume und mehr Erzieherinnen und Erzieher. Weitere Herausforderungen sind die Energiewende und gerade für uns in Stuttgart eine weitere Kernfrage: Wie gelingt es uns, die urbane Mobilität nachhaltiger zu gestalten?

Vor allem die letzte Frage birgt Konfliktstoff. Weitgehend unumstritten ist ein anderes Politikfeld, das Ihnen wichtig war: In welchen Gedanken wurzelt Ihre liberale Ausländerpolitik?
Ausgangspunkt war für mich immer der berühmte Satz von Max Frisch in Bezug auf die damals sogenannten Gastarbeiter: Arbeitskräfte haben wir gerufen, doch Menschen sind gekommen. Wir mussten diesen Menschen eine Heimat anbieten. Für mich war und ist es wichtig, dass die Zuwanderer bei uns ihre Potenziale entfalten können – davon profitieren wir dann am stärksten selbst. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass wir zu den Gewinnern der Globalisierung gehören.

In Berlin-Neukölln hat der Bürgermeister Heinz Buschkowsky über die Zuwanderung als Belastung geschrieben. Sein Buch „Neukölln ist überall“ hat es prompt in die Bestsellerliste geschafft.
Ich habe dieses provokative Buch gelesen und mich sehr darüber geärgert. Mein Ansatz war immer: es gibt nur Stuttgarter in Stuttgart, egal woher sie kommen. Ich schreibe derzeit ein Buch gegen die Thesen von Buschkowsky. Weil ich zum Ende meiner Amtszeit aber noch so viel auf dem Schreibtisch hatte, ist es leider noch nicht fertig geworden.