An manchen Stellen in Remseck herrscht Dauerstau. Die Neckarbrücke, der Nordostring – viele Lösungsansätze, sagt der Oberbürgermeister Dirk Schönberger, werden von Land und Regierungspräsidium nicht mit Nachdruck verfolgt. Außerdem kritisiert er die Nachbarn in Waiblingen und Fellbach.

Remseck - An manchen Stellen in Remseck herrscht Dauerstau, die Stadt leidet unter den vielen Pendlern. Immerhin: im Stadtteil Hochberg sind jetzt Lastwagen tabu. Die Neckarbrücke, der Nord-Ost-Ring, das Lkw-Verbot auf der Remstalstraße – viele andere Lösungsansätze, sagt der Oberbürgermeister im Interview, würden von Land und Regierungspräsidium nicht mit Nachdruck verfolgt. Außerdem kritisiert Schönberger die Nachbarn in Waiblingen und Fellbach.

 
Herr Schönberger, seit Jahresbeginn gilt der neue Luftreinhalteplan für Remseck. Durch den Stadtteil Hochberg dürfen zum Beispiel keine großen Lastwagen mehr fahren. Wie zufrieden sind Sie damit?
Ich bin sehr froh. Für uns war das Lkw-Verbot in Hochberg ein lang gehegtes Ziel. Die Ortsdurchfahrt ist aus unserer Sicht ungeeignet für Lastwagen, allein schon historisch bedingt. Als die Ortsdurchfahrt von Pferdehändlern in ihrer jetzigen Form gebaut wurde, war das Ziel eine möglichst enge Hauptstraße. Lastwagen sind dort völlig deplatziert, selbst Busse sind unter den Anwohnern umstritten.
Immerhin ist die Stadt jetzt Umweltzone, und die Luftverschmutzung wird fortlaufend überwacht.
Mir ist es wichtig, Zwischenziele zu erreichen, statt nur auf langfristige Lösungen zu warten, die irgendwann mal kommen. Deshalb sind wir über diese erreichten Etappenziele froh.
Die Neckarremser dürften das anders sehen. Dort kommt, anders als in Aussicht gestellt, kein Lkw-Verbot, sondern eine neue Ampel, die den Stau aus dem Ort halten soll.
Ich will es anders formulieren: Das Tempo-30-Limit, dass dort von Sommer an gilt, ist ein Zwischenerfolg. Im Wahlkampf 2014 wollten die Anwohner Tempo 30 – jetzt haben wir es.
Aber Sie haben auf mehr gehofft.
Nun, es gab einen Entwurf, in dem man uns was anderes versprochen hatte: Nämlich ein Lkw-Fahrverbot in der Remstalstraße. Darauf hatten wir uns alle gefreut. Wenn das Regierungspräsidium so etwas ankündigt, gehen wir davon aus, dass es dann auch so umgesetzt wird. Dass es dann nicht angeordnet wurde, fand in Remseck keiner gut. Deshalb haben wir im Gemeinderat gesagt: so geht es nicht – und einen einstimmigen Beschluss dagegen gefasst.
Überspitzt könnte man sagen: ab dem 1. Juli stehen die Autofahrer dann nicht mehr in der Remstalstraße, sondern zwischen Neckarrems und Waiblingen-Hegnach.
Das Regierungspräsidium geht davon aus, dass durch eine Verflüssigung des Verkehrs die Schadstoffwerte sinken. Ob die Grenzwerte dadurch unterschritten werden, muss sich zeigen. Sollte das nicht der Fall sein, muss aus unserer Sicht das Lkw-Verbot angeordnet werden.
Können Sie verstehen, dass Waiblingen und Fellbach gegen das geplante Lastwagenverbot protestiert haben?
Nein, wenn ich ehrlich bin, kann ich das nicht verstehen.
Warum?
Wir in Remseck sind eher Betroffene als Verursacher in Sachen Verkehr. Wir haben hier wenig Gewerbe, sondern sind eher eine Durchfahrstation. Aus meiner Sicht sollten große Gewerbestandorte wie Waiblingen, Ludwigsburg, Kornwestheim und Fellbach, die gerne auch die Gewerbesteuer einnehmen, die Lasten nicht nur auf Remseck abladen.
Als Lösung der Verkehrsprobleme werden oft regionale Projekte genannt, an erster Stelle der Nordostring. Was wäre aus Ihrer Sicht ein Vorteil dieser Umfahrung?
Alle Kommunen in der Region wollen und müssen wachsen. Sowohl was Arbeitsplätze wie auch Einwohner anbelangt. Dafür bauen wir die Rad- und Fußwege aus und auch den ÖPNV, da vor allem die Schiene. Aber wir werden es ohne neue Straßen nicht schaffen. Das Bestellverhalten im Internet zieht zum Beispiel immer mehr Lkw-Verkehr nach sich. Aktuell haben wir auf den Straßen Stillstand. Und das kann nicht sein.
Aber es scheint doch völlig unrealistisch, dass der Nordostring angesichts des massiven Widerstands je gebaut wird.
Er ist kein Selbstläufer. Wäre er einfach zu bauen, würden wir schon darauf fahren. Und die neuen Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung erleichtern solche Projekte natürlich nicht. Sollten wir es aber nicht schaffen, erleben wir irgendwann einen Verkehrskollaps. Die Folge: Firmen wandern ab. Das kann nicht der Wille der Region und der Nachbarkommunen sein.
Warum hat man es nicht schon vor 20 Jahren mit dem Ring probiert? Warum sollte es ausgerechnet heute klappen – wo die Umstände immer schwieriger werden?
Weil der Druck heute größer ist als damals. Das Verkehrsaufkommen auf der Straße hat deutlich zugenommen. Im Bundesverkehrswegeplan ist die Nordost-Umfahrung hochgestuft worden. Wir nähern uns dem Ziel also in kleinen Schritten an.
Nicht nur die Umfahrung soll das Rems-ecker Zentrum entlasten, sondern auch eine neue Landesbrücke, die Westrandbrücke, über den Neckar. Wie ist da der Stand?
Der ist nicht zufriedenstellend, da haben wir uns schnellere Ergebnisse erhofft. Allein die Abstimmung über die Planungsvereinbarung zu der Brücke mit dem Land war sehr kompliziert. Unsere Sicht ist klar: Da geht es um Landesstraßen, das Land muss daher auch den Großteil der Kosten tragen. Im Sommer haben wir einen Planer ausgewählt und um Zustimmung beim Regierungspräsidium gebeten. Die allerdings liegt bis heute nicht vor, obwohl wir das mehrmals angemahnt haben.
Derzeit liegt der Fokus des Landes eher auf größeren Verkehrsprojekten. Kann es sein, dass man in Remseck noch mehr Geduld braucht?
Aktuell geht es für das Land vor allem darum, Fördermittel des Bundes zu verbauen. Doch klar ist: wir brauchen diese Brücke, dringend. Deswegen ist unser Verständnis eingeschränkt. Ich wiederhole mich: Wir sind nicht zufrieden.
Im Sommer beginnt vor Ihrem Fenster eine große Baustelle: neues Rathaus, neue Stadthalle. Beeinträchtigt die Brückenfrage das Vorhaben?
Nein. Sie ist sicher aber ein Grund, warum wir die Gebäudeanordnung in der Neuen Mitte noch einmal geändert haben.
Haben Sie Sorge, dass die Verkehrsprobleme die Entwicklung ihrer Stadt hemmen?
Ja, natürlich habe ich diese Sorge. Aber man sollte versuchen, realistische Ziele zu haben. Was die zeitliche Dimension der Westrandbrücke angeht, muss ich zugeben: ich bin ernüchtert. Da waren die Erfahrungen im vergangenen Jahr nicht positiv. Wir kommen bei solchen Entscheidungen teilweise nicht gut weg.
Es gibt seit kurzer Zeit eine Arbeitsgruppe Verkehr in Ihrer Stadtverwaltung. Was soll darin passieren?
Es geht um kleinere Lösungen für die Verkehrsprobleme. Lösungen, die der Bürger direkt am Gartenzaun merkt und die alle Stadtteile im Blick haben, zum Beispiel lokal Tempo 30. Wir wollen, dass das Thema Verkehr einfach Priorität hat bei uns.

Dirk Schönberger, der 1972 in Pforzheim geboren wurde, hat Jura an den Universitäten in Saarbrücken und Konstanz studiert. Nach dem Zweiten Staatsexamen arbeitete er als Anwalt in der Kanzlei Schmitt, Hörtnagl und Partner in Freiburg. Bevor er im Juli 2014 zum Oberbürgermeister von Remseck gewählt wurde, war Schönberger bei der Finanzverwaltung Baden-Württemberg tätig, zuletzt als Regierungsdirektor bei der Oberfinanzdirektion Karlsruhe. Er lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern im Remsecker Stadtteil Aldingen.