Adrian Jagusch berät als Online-Scout betroffene Jugendliche. Cybermobbing entstehe selten aus dem Nichts, sagt der 19-Jährige.

Stuttgart - Adrian Jagusch berät als Online-Scout betroffene Jugendliche. Der 19-Jährige arbeitet seit vier Jahren als ehrenamtlicher Scout bei juuuport. Auf der Selbstschutz-Plattform helfen sich Jugendliche gegenseitig, wenn sie Probleme im und mit dem Web haben. Die Scouts sind 15 bis 21 Jahren alt und wurden von Experten aus den Bereichen Recht, Internet und Psychologie ausgebildet. Die Beratung ist kostenlos. Trägerin ist die Niedersächsische Landesmedienanstalt. Cybermobbing entstehe selten aus dem Nichts, sagt Adrian Jagusch.

 
Hallo Adrian, mit welchen Problemen wenden sich Jugendliche an dich als Scout der Selbstschutz-Plattform juuuport?
Das Problem, mit dem sich die meisten Jugendlichen an uns wenden, ist Cybermobbing. Meist sind es Jugendliche zwischen zehn und 18 Jahren. Entweder werden sie im Netz beleidigt, oder es werden beleidigende Fotos von ihnen hochgeladen. Wir bekommen auch Anfragen zum Datenschutz oder zu rechtlichen Dingen. Im Vordergrund steht aber vor allem Cybermobbing.
Was ist eine Beleidigung, was ist Cybermobbing?
Cybermobbing geschieht über einen längeren Zeitraum. Wenn jemand über einen Zeitraum von beispielsweise sechs Monaten immer wieder beleidigt, fertiggemacht oder bloßgestellt wird, dann sprechen wir von Cybermobbing. Das ist eine etwas schwammige Definition. Deshalb kommen Studien auf unterschiedliche Zahlen. Ich glaube nicht, dass jeder fünfte Schüler wirklich extrem gemobbt wird im Internet. Trotzdem haben viele Jugendliche schon mal unangenehme Erfahrungen gemacht.
Was sind denn die schlimmsten Fälle, mit denen du in den vergangenen vier Jahren zu tun hattest?
Besonders schlimm ist es immer dann, wenn ein Beitrag eine besonders große Öffentlichkeit hat. Wenn jemand Beleidigungen nicht nur auf die Facebook-Seite schreibt, sondern in Foren verbreitet oder es so veröffentlicht, dass es einem Shitstorm gleicht.
Wie helfen die Scouts von juuuport?
Wir sehen uns als erste Anlaufstelle. Wir sind keine Psychologen, wir können keine Beratung ersetzen. Unsere Aufgabe ist, Tipps zu geben und Mut zu machen. Unser Vorteil ist, dass wir selbst Jugendliche sind. Es ist für die Betroffenen häufig sehr wichtig, dass sie mit Gleichaltrigen sprechen können. Bei uns haben sie nicht das Gefühl, dass wir mit erhobenem Zeigefinger sprechen und Internetverbot erteilen. Es geht um Verständnis für die Betroffenen. Die haben meistens das Gefühl, dass keiner weiß, in welcher Situation sie sich gerade befinden.
Und was raten die Scouts bei gravierenden Fällen?
Wir versuchen die Betroffenen zu motivieren, sich Hilfe vor Ort zu holen und Erwachsene hinzuzuziehen. Das heißt, mit Lehrern zu sprechen oder zu Beratungsstellen zu gehen. Das ist die einzige Möglichkeit, aus so einer Situation herauszukommen. Wir geben auch ganz konkrete Hinweise, etwa wie man Beiträge melden oder wie man Postings und Verlinkungen bei Fotos löschen kann.
Was ist denn ein typischer Cybermobbing-Fall?
Cybermobbing entsteht selten aus dem Nichts. Häufig ist es so, dass die betroffene Person Probleme in der Klasse hat und dort schon gemobbt wird. Meistens ist man ja bei Facebook mit den gleichen Leuten befreundet, mit denen man in der Schule unterwegs ist. Dann breiten sich die Konflikte im Netz weiter aus. Dort bekommen es dann deutlich mehr Leute mit. Die Betroffenen haben keinen Rückzugsraum mehr. Vor 10, 20 Jahren hatte man beim Mobbing in der Schule noch die Möglichkeit, zu Hause abzuschalten und sich mit anderen Leuten zu umgeben. Da war man mit der Mobbingsituation nicht mehr so stark konfrontiert. Das ist heute anders.
Hast du einen Ratschlag, wie sich Jugendliche im Netz bewegen sollten?
Was ich mir wünsche, ist, dass man mit offenen Augen durchs Internet geht. Wenn auf der Straße jemand verletzt am Straßenrand liegt, dann helfe ich ihm. Das ist selbstverständlich. Ich würde mir wünschen, dass Zivilcourage im Internet genauso funktioniert. Wenn ich sehe, da wird jemand beleidigt, dann helfe ich: dann versuche ich, Kontakt aufzunehmen und irgendwie Hilfe anzubieten.