Wie hat sich die Familientherapie geändert?
Die übersteigerten Erwartungen der Anfangsjahre haben sich relativiert. Heute wissen wir, dass eine Familientherapie nicht alles leisten kann und es flankierend oft andere Maßnahmen braucht, beispielsweise, wenn ein Partner an einer psychischen Erkrankung leidet. Gut ist auch, dass inzwischen wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass Familientherapie wirksam ist, deshalb sind wir nicht mehr so unter Druck, uns zu beweisen, wie in den Anfangsjahren.

Wenn ich in die Familientherapie gehe, weiß ich, hinterher habe ich eine heile Familie?
In der ersten Zeit kamen die Familien genau mit dieser Haltung in die Therapie, hinterher ist alles heil. Die Erwartungen haben sich relativiert, heute wollen die Paare ihre Beziehung klären, egal in welche Richtung das geht. Auch wir Therapeuten sagen, Wahrheit vor Schönheit und Klärung vor Happy End.

Lebt das tradierte Rollenverständnis weiter: die Frau kocht, der Mann verdient das Geld?
70 Prozent der Paare lehnen den traditionellen Rahmen inzwischen ab und wissen aber nicht so genau, was sie als Alternative haben, und sind dann ein bisschen schutzlos. Ein fester Rahmen sorgt einfach für Stabilität. Aber wir haben in unserer pluralen Gesellschaft natürlich alles, Beziehungen mit einem traditionellen Normengerüst und andere offene und freie, die genauso funktionieren können.

Funktioniert die viel beschworene Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
Ja und nein. Es gibt natürlich Paare, die die gesellschaftlichen Konfliktfelder eins zu eins abarbeiten und keine Lösung finden. Und dann gibt es Paare, die improvisieren und der eine ist bereit, für eine bestimmte Zeit zurückzustecken. Heute müssen die Partner verhandeln und sich einigen, was wollen wir für ein Paar sein. Wollen wir modern sein? Machen wir für eine gewisse Zeit eine traditionelle Rollenteilung? Die Verhandlungen aber bergen Konflikte und machen die Beziehungen schwieriger. Den einen tut diese Freiheit gut, andere sind damit überfordert. Man muss aushalten können, dass es nicht in jeder Situation eine ganz faire Lösung gibt.

Wie stabil sind Patchworkfamilien?
In den 80er Jahren hatten wir ein Forschungsprojekt, das sich mit Stieffamilien befasst hat. Wir haben damals die Strukturen beleuchtet, vor allem aber die Probleme, die sich daraus ergeben, dass immer ein Exmann oder eine Exfrau von außen mitmischen. Inzwischen aber sind Patchworkfamilien eine Selbstverständlichkeit, und sie sind genauso stabil oder instabil wie herkömmliche Familien. Man weiß einfach mehr über die zusammengewürfelten Gebilde, und niemand redet mehr von bösen Stiefmüttern und Knecht-Ruprecht-Stiefvätern, die bei der allein erziehenden Mutter für Ordnung sorgen.

Normalerweise erzählen Ihnen andere Menschen aus Ihrem Familienleben. Wie sieht Ihr Familienmodell aus?
Wir haben irgendwann mal in unserer Küche geschrieben, wir sind eine traditionell moderne Familie. Meine Frau hat sich primär um die Kinder gekümmert, hat aber nebenbei auch immer gearbeitet. Und ich habe zwar immer gearbeitet, aber auch viel mit den Kindern gemacht. Jetzt sind die drei Söhne aus dem Haus und meine Frau ist am Zug. Sie hat ein Meditationszentrum aufgebaut, und ich übernehme schon mal die dienenden Tätigkeiten in der zweiten Reihe und koche für die Gruppe. Diese Flexibilität ist das Tolle an Langzeitbeziehungen, man ist gefordert, immer wieder andere Modelle zu entwickeln.

Was muss man Kindern vermitteln, damit sie eine gute Grundlage fürs Leben haben?
Entscheidend ist für mich die Frage, ob Eltern Mensch bleiben oder ob sie sich hinter einer Rolle verschanzen. Mütter und Väter müssen authentisch und glaubwürdig sein, in dem was sie machen. Wenn sie Dinge mit einer gewissen Begeisterung und Freude machen, dann vermitteln sie den Kindern, dass das Leben interessant sein kann. Auch wir haben immer eine gute Ehe vorgelebt, mit allen Facetten, mit Auseinandersetzungen, aber auch mit viel Liebe. Und dann haben wir natürlich das getan, was heute alle machen: Wir haben nach guten Schulen gesucht, unsere Kinder gefördert. Wichtig aber sind aus meiner Sicht die Beziehungen und nicht die Erziehung.