Der Reggae- und R’n’B-Sänger Patrice spricht im StZ-Interview über seine neue Platte, seine Fans in Sierra Leone und über Bob Marley. Er verrät auch, ob er an Wiedergeburt glaubt.

Stuttgart – - Patrice ist einer der wenigen deutschen Musiker mit internationaler Reputation. Das Markenzeichen des 34-Jährigen ist seine unverkennbare, helle Stimme und sein eklektischer Sound aus Reggae, Funk, Hip-Hop, Soul, R’n’B, Singer/Songwriter und Afrobeat. Am Freitag erscheint sein neues Album „The Rising of the Son”. Im Interview mit Olaf Neumann spricht Patrice nicht nur über neue Lieder, sondern auch über seinen Vater, Sierra Leone, Bob Marley und das Thema Wiedergeburt .
Patrice, in Jamaika arbeiteten Sie in den legendären Tuff-Gong-Studios. Diese wurden einst von Bob Marley gegründet. Ist sein Geist dort noch zu spüren?
Auf jeden Fall sieht man dort noch Überbleibsel aus dieser Zeit, zum Beispiel seine Goldenen Schallplatten. Auch das Mischpult ist noch da, über das Bob Marley einst seine Platten aufgenommen hat. Dieser Ort hat einen ganz krassen Vibe. Ich war schon in vielen legendären Studios, unter anderem im Electric Ladyland in New York, aber noch nie im Tuff Gong. Insofern habe ich mir damit einen Traum erfüllt. Das bringt mich an meine Anfänge zurück, denn Bob Marley war derjenige, der mich auf meinen Weg geschubst hat. Mein neues Album ist eine Wiederauferstehung eines alten Bewusstseins.
Ein Thema auf „The Rising of the Son” ist Wiedergeburt. Was interessiert Sie daran?
Ich bin geboren an dem Tag, an dem mein Großvater starb. Das thematisiere ich auf dem Album. Gleichzeitig sage ich, dass ich mich mit jedem Album neu erfinden muss. Dass ich das Alte einreißen muss, um mich von Routine und Trott freizustrampeln. Mit diesem Album fange ich wieder von Null an, ich will etwas machen, wofür ich auch selbst brenne. Und das ist wie eine Wiedergeburt.
Ihre Eltern betrachteten Sie als Reinkarnation Ihres Großvaters. Glauben Sie selbst an Wiedergeburt?
Ich glaube nicht daran, dass der Mensch zum Beispiel als Elefant wiedergeboren wird. Aber ich glaube, dass in der Natur nichts wirklich vergeht, jedes Atom oder Molekül bleibt da und formiert sich irgendwie neu. Das ist eine Art von Wiedergeburt. Mein afrikanischer Name ist Babatunde, das ist Yoruba und heißt so viel wie „die Rückkehr des Vaters“. Dieser Name steht auch in meiner Geburtsurkunde. Wenn man älter wird, macht man sich auf die Suche nach sich selbst. Namen sind Wegweiser, die einen dabei beeinflussen.
Wer hat Sie am stärksten beeinflusst?
Mein verstorbener Vater hat mich sehr beeinflusst. Er ist ein Teil meiner Identität. Ich versuche, ihn wiederzubeleben, indem ich seine Ideen und seine Worte benutze. Auf diese Weise lebt sein Geist in mir und auch in meinen Kindern weiter. Das bin ich im einfach schuldig, weil er mir sehr viel bedeutet hat. Ich war kürzlich in Sierra Leone auf Einladung der deutschen Botschaft und bin dort zu Ehren meines Vaters aufgetreten. Er war der erste Filmemacher aus Sierra Leone, der international Anerkennung gefunden hat. Er war auch Aktivist und Schriftsteller.
Ist der Song „Alive“ ihm gewidmet?
Nein, der Song handelt zwar von Wiedergeburt, aber es geht dabei um keine konkrete Person. Es war der erste Song, den ich für dieses Album geschrieben hatte. Er hat mir gezeigt, wo die Reise hingehen soll.
Und wie kamen Sie auf den Titel „Hippies with Guns“?
Ich fand, das ist einfach ein cooles Wortspiel. „Hit“ ist im Grunde genommen ein brutales Wort. Auch sagt man ja, ein bestimmter Song sei ein „Killer“ oder Musik sei eine Waffe, die auf die Herzen der Menschen schieße. Ich glaube, dass diejenigen, die die Welt am stärksten bewegt und zum Guten verändert haben, Musiker waren. Kaum jemand hat die Gesellschaft mehr beeinflusst als Bob Marley, Jimi Hendrix oder Bob Dylan. Sie alle waren Sprachrohr einer Generation und eines Zeitgeistes. Musik hat einen großen Einfluss auf die Jugend, und diese gestaltet letztendlich die Zukunft. Ich versuche, ein Gegengewicht zu bilden zu dem ganzen Negativen da draußen. Ich habe versucht, eine positive Platte zu machen, die aber nicht uncool ist.
Wie haben Sie Sierra Leone erlebt, das als eines der ärmsten Länder Afrikas gilt?
Das erste Mal war ich in Sierra Leone beim Begräbnis meines Vaters. Ich bin dann immer wieder hingefahren, um Familienmitglieder zu besuchen und das Land kennenzulernen. Ich habe Sierra Leone als aufstrebendes, wunderschönes und lebendiges Land erlebt. Die Schreckensbilder, die man vielleicht noch im Kopf hat, würden das Land nicht weiterbringen. Bei einer Reportage über Deutschland würde man ja auch nicht die Plattenbauten aus DDR-Zeiten zeigen, sondern das präsentieren, auf das man stolz ist. Heute kann sich kein Deutscher vorstellen, wie hier bestimmte Dinge in der Vergangenheit passieren konnten. Das gleiche ist auch in Sierra Leone der Fall. Ich engagiere mich weiter dafür, dass das Land irgendwie vorankommt.
Wie ist es, dort aufzutreten?
Das macht Spaß. Bestimmte Stücke von mir werden in Sierra Leone sehr abgefeiert. Mittlerweile kennt man mich in dort gut. Meine Videos laufen oft im Fernsehen.