Groß ist die Erleichterung bei der Stadt Pforzheim nach dem Urteil des BGH. OB Gert Hager sieht Chancen auf Schadenersatz.  

Pforzheim - Pforzheim hat durch Zinswetten der früheren OB Christel Augenstein 57 Millionen Euro verloren. OB Hager klagt und verhandelt gleichzeitig.

 

Herr Oberbürgermeister Hager, ist das heute ein guter Tag für die Stadt Pforzheim?

Ja, selbstverständlich. Wir fühlen uns in unserer Rechtsauffassung durch das Urteil des BGH vollumfänglich bestätigt.

Welche Rückschlüsse ziehen Sie nun für Ihre anhängige Klage auf Schadenersatz gegen Ihre Bank?

Es gibt zwei Ansatzpunkte. Der eine ist die Beratungsleistung der Bank. Hier hat der BGH eindeutig erklärt, dass er ganz, ganz hohe Anforderungen stellt. Ich zitiere den entscheidenden Satz: "Bei einem so hochkomplex strukturierten und riskanten Produkt wie dem CMS-Spread-Ladder-Swap-Vertrag sind hinsichtlich der Risikodarstellung des Anlageprodukts hohe Anforderungen an die beratende Bank zu stellen." Dieser Ansatz - Verletzung der Beratungspflichten oder nicht - ist vollumfänglich auf uns anwendbar. Hinzu kommt, dass wir eine Kommune sind und für Kommunen gilt ein Spekulationsverbot. In dem Verfahren jetzt ging es ja um ein Unternehmen, das, wenn Sie sich das BGH-Urteil ansehen, ganz anders zu behandeln ist. Deshalb sind wir nun sehr guten Mutes, dass wir obsiegen werden.

In Pforzheim ist die Sachlage komplizierter. Hier geht es erstens um die Zinswetten bei der Deutschen Bank. Und es geht um sogenannte Spiegelgeschäfte bei einer zweiten Bank, bei JP Morgan, mit der die immensen Verluste durch die Zinswetten ausgeglichen werden sollten. Wie gehen Sie nun vor?

Wir haben Klage eingereicht gegen die Bank JP Morgan.

Und welche Forderungen stellen Sie gegenüber der Deutschen Bank?

Da verhandeln wir weiter. Die Deutsche Bank ist gesprächsbereit, während JP Morgan jede Kommunikation derzeit ablehnt.

In Pforzheim summieren sich die Schadenersatzansprüche auf 57 Millionen Euro? Was fordern Sie denn von welcher Bank ein?

Da halte ich es mit Margret Thatcher, der früheren britischen Premierministerin, die den Satz prägte: "I want my Money back." Die 57 Millionen Euro fordern wir von JP Morgan. Bei dieser Bank mussten wir den Verlust ablösen. Wie wir mit der Deutschen Bank umgehen, lassen wir im Moment noch offen.

Wenn der BGH der Bank so deutlich Fehlverhalten in der Aufklärung und Beratung vorwirft, muss man jetzt die Vorwürfe gegen die frühere Oberbürgermeisterin Christel Augenstein (FDP) und die damalige Kämmerin zurücknehmen?

Das muss die Staatsanwaltschaft beurteilen. Strafrechtlich kann ich das nicht abschätzen. Aber auch die Ankläger werden sich dieses Urteil sehr genau ansehen. Ich hoffe sehr, auch im Interesse der Beteiligten, dass bei der Staatsanwaltschaft nun endlich eine Entscheidung fällt. Das Verfahren wegen des Verdachts der Untreue befindet sich jetzt immerhin schon eineinhalb Jahre in der Schwebe.

OB mit Geldsorgen

Hiobsbotschaft: So hatte sich der Sozialdemokrat Gert Hager den Start als Oberbürgemeister in Pforzheim nicht vorgestellt. Kurz nach seinem Amtsantritt 2009 kam zutage, welche „Giftpapiere“ in den Büchern schlummerten. Hochriskante Zinswetten, bei denen die Stadt nicht gewinnen, aber bis zu 77,5 Millionen Euro verlieren konnte. Zudem drohten immense Steuerausfälle.

Befreiungsschlag: Seit Januar 2011 ist die Stadt das Risiko los – und um rund 57 Millionen Euro ärmer. Das Geld will Hager sich jetzt zurückholen. Dank der anziehenden Wirtschaftslage muss der OB den Verlust nicht über den Verkauf und Wiederanmietung städtischer Liegenschaften finanzieren.