Betriebsratschef Uwe Hück braucht die Mitbestimmung bei der Porsche Automobil Holding SE nicht, um Einfluss zu nehmen.

Stuttgart - Die Eigner des VW-Mehrheitsaktionärs Porsche Automobil Holding SE wählen bei der Hauptversammlung am 30. Mai in Stuttgart einen neuen Aufsichtsrat. Arbeitnehmervertreter werden darin künftig nicht mehr sitzen.Uwe Hück, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats von Porsche, erklärt im Interview, warum das kein Verzicht der Belegschaft auf Mitbestimmungsrechte ist – und warum aus seiner Sicht jetzt die Zeit gekommen ist, dass die Familie Porsche-Piëch den Generationswechsel einleitet.

 
Herr Hück, warum geben die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Porsche SE freiwillig ihren Sitz auf?
Die Porsche SE ist gegenwärtig eine reine Finanzholding ohne operatives Geschäft, sie ist nichts anderes als ein Geldschrank. Das war Ende 2008 mal anders gedacht. Damals gab es die Vorstellung, bei passenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einen integrierten Konzern mit der Porsche Automobil Holding an der Spitze zu bilden; darunter hätte es dann mehrere Teilkonzerne geben können. Es ist bekanntlich anders gekommen. Ich habe im Aufsichtsrat gesagt, dass ich es nicht für zweckmäßig halte, wenn ein Aufsichtsrat, der aus zwölf Personen besteht, einen Tresor bewacht. Arbeitnehmervertreter müssen da sein, wo die Menschen sind, nicht da, wo Geld gezählt wird.
Die Holding verfügt über eine Nettoliquidität von 1,3 Milliarden Euro; Geld, das in Beteiligungen investiert werden soll. Will die Arbeitnehmerseite darauf keinen Einfluss nehmen?
Doch, und das ist auch sichergestellt. Zunächst einmal verzichten wir ja nicht auf die Mitbestimmung. Die entsprechende Vereinbarung aus dem Jahr 2007 ist lediglich ausgesetzt. Das ist ein großer Unterschied. Die Vereinbarung hätte im Juni nach dem Ablauf von zehn Jahren erstmals gekündigt werden können, was der Vorstand auch angekündigt hatte. Dann hätten wir neu verhandeln müssen. Dazu kommt es jetzt nicht, der Vertrag gilt weiter, auch solange er ausgesetzt ist. Solange greift eine detaillierte Vereinbarung, die unseren Einfluss sichert. Das ist alles doppelt und dreifach abgesichert. Der Arbeitgeber wollte das übrigens lieber ganz allgemein auf einer einzigen Seite regeln.
Verraten Sie uns, was in der Vereinbarung im Einzelnen drinsteht?
Es gibt mehrere konkrete Fälle, die dazu führen würden, dass die Mitbestimmungsvereinbarung automatisch wieder in Kraft tritt. Einer wäre zum Beispiel, eine Veränderung, durch die eine bisher nicht zum VW-Konzern gehörende Belegschaft zu einer Vertretung im Aufsichtsrat kommen würde. Ein weiteres Beispiel wäre, dass die Porsche Automobil Holding tatsächlich doch noch Konzernleitungsmacht ausübt, dann wären wir ganz schnell wieder drin. Oder wenn zum Beispiel absehbar ist, dass die Entsenderechte des Landes Niedersachsen entfallen. Wenn die Porsche Automobil Holding eine beherrschende Stellung an einem direkten Wettbewerbsunternehmen übernimmt, dann lebt die Mitbestimmungsvereinbarung auch wieder auf.
Statt des SE-Betriebsrats wird ein Geschäftsführender Ausschuss gebildet; welche Aufgaben hat er, und wer sitzt da drin?
Der Geschäftsführende Ausschuss sichert die Beteiligung der Arbeitnehmer, sobald die Mitglieder des Betriebsrats der Porsche Automobil Holding zurückgetreten sind. Das ist der zweite Teil unserer Vereinbarung neben dem Rückzug aus dem Aufsichtsrat. Der Ausschuss setzt sich aus drei Mitgliedern zusammen. Erste Mitglieder sind die Betriebsratsvorsitzenden von VW und Audi, Bernd Osterloh und Peter Mosch, sowie ich als Porsche-Betriebsratschef.
Wie wollen Sie Einfluss auf die Entscheidungen der Porsche Automobil Holding nehmen?
Es ist vereinbart, dass der Geschäftsführende Ausschuss viermal im Jahr mit Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats zur Diskussion über die Lage und die Entwicklung zusammentrifft. Das ist ähnlich wie bei einer Aufsichtsratssitzung. Darüber hinaus können wir jederzeit Auskunft darüber verlangen, ob es Vorgänge gibt, die zu einem Wiederaufleben der Mitbestimmungsvereinbarung führen können. Wir haben also Einfluss darauf, was mit dem Geld geschieht. Und wenn wir glauben, dass eines der vorher genannten Beispiele eintritt, dann können wir einen Aufsichtsrat initiieren, das heißt, wir lassen uns vom Gericht bestellen. Das können wir aus eigener Initiative machen.
Sie haben sich stets dafür eingesetzt, dass die Selbstständigkeit des Sportwagenherstellers Porsche innerhalb des Volkswagen-Konzerns gewahrt bleibt. Steht das nicht in krassem Widerspruch dazu, dass Porsche eine 100-prozentige VW-Tochter ist?
Überhaupt nicht. Ich habe durchgesetzt, dass wir mit der Porsche Holding Stuttgart und ihrem fakultativen (freiwilligen, Anm. d. Red.) Aufsichtsrat einen Wächter der Eigenständigkeit von Porsche bekommen haben, der lediglich aus formalen Gründen zu 100 Prozent VW gehört. Wir Arbeitnehmervertreter werden auch künftig im Aufsichtsrat der Porsche Holding Stuttgart vertreten sein.
Wie lange gilt diese Regelung noch?
Die Regelung war ursprünglich bis Ende 2018 festgeschrieben. Das wurde jetzt bis 2024 verlängert. Bis dahin haben wir nun erst einmal Ruhe.
Auf der Kapitalseite im Aufsichtsrat der Porsche Automobil Holding wird sich zunächst einmal nichts ändern. Alle Mitglieder sollen erneut bestellt werden, auch Ferdinand Piëch, der seine Anteile fast komplett an seinen Bruder Hans Michel Piëch abgeben will. Ist es nicht Zeit für einen Generationswechsel, da in dem Gremium bisher mit Ferdinand Oliver Porsche nur ein Vertreter der vierten Generation vertreten ist?
Das muss die Kapitalseite regeln, letztlich also die Sprecher der Familienzweige Porsche und Piëch, Wolfgang Porsche und Hans Michel Piëch. Das ist deren Entscheidung. Ich nehme an, dass die Übertragung von Ferdinand Piëchs Anteilen dieses Jahr abgewickelt sein wird; anschließend wird sich zeigen, wie es weitergeht.
Ihre Zurückhaltung in Ehren, aber kaum jemand kennt Porsche so gut wie Sie. Wie sollten die Weichen gestellt werden?
Wenn ich einen Ratschlag geben sollte, dann ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, den Nachkommen der jungen Generation Verantwortung zu geben. Es dauert Jahre, all die Abläufe hier zu erfassen und zu verstehen. Es braucht eine Vorlaufzeit, damit dann auf der Kapitalseite Leute mit Erfahrung zur Verfügung stehen, wenn es darauf an kommt. Aber das entscheide nicht ich, sondern ganz alleine die Familie
Wird die Familie an Volkswagen festhalten?
Davon bin ich vollkommen überzeugt. Die Familie ist durch eine schwere Zeit gegangen, hat Milliarden ausgeben müssen und hat Dividendenverzicht geübt. Das zeigt doch, dass die Porsches und Piëchs ein hohes Interesse an dieser Beteiligung haben.
Konzentriert sich das Interesse der Familie nicht in Wahrheit auf Porsche?
Bildhaft gesprochen ist Porsche selbstverständlich so etwas wie das Wohnzimmer. Es ist bekannt, dass ich einer bin, der sich ärgert, wenn da Möbel verschoben werden. Aber Porsche wird ohne Volkswagen nicht mehr Porsche sein. Viele sagen: Kauft Porsche raus! Aber das würde nicht funktionieren. Wir haben im Konzern eine Arbeitsteilung entwickelt, die viele Synergien bringt. Ein weiteres Beispiel sind die Abgasthemen; ohne eine Fahrzeugflotte ist das nicht hinzubekommen. Wenn Porsche aus Volkswagen herausgenommen wird und versucht, eigenständig zu sein, dann würde das Unternehmen kaputtgehen. Ich sehe es so: Porsche ist das Wohnzimmer, das Haus ist Volkswagen. Versuchen Sie mal, ihr Wohnzimmer außerhalb des Hauses hinzustellen! Das wird Ihnen nicht gelingen.
Sieht das die neue Eigentümergeneration auch so?
Ja, das gilt zum Beispiel für Peter Daniell Porsche, Christian Porsche, Stefan Piëch oder Louise Kiesling. Die haben alle Benzin im Blut. Natürlich ist das eine neue, eine andere Generation. Die Mitglieder dieser vierten Generation sind wie die Väter sehr belegschaftsorientiert. Und sie wissen, dass das Trikot nicht von alleine schwitzt. Wir müssen mehr tun als wir denken. Denn VW steht vor einer enormen Herausforderung durch die Zeitenwende durch Elektromobilität und die Digitalisierung.