Ramon Henriks stand in der Europa League bereits zuletzt als Innen- und als Linksverteidiger in der Startelf. Seit Sommer 2024 beim VfB, hat sich der 24-jährige Niederländer konsequent hoch gearbeitet – und ist auch in der Bundesliga mehr als nur ein Lückenfüller.
Hallo Herr Hendriks, von Sebastian Hoeneß gab es neulich nach dem Europa-League-Sieg über Celta Vigo (2:1) ein Sonderlob. Ihr Spiel sei „nahe an der Perfektion“ gewesen, sagte ihr Trainer da. Haben Sie davon gehört?
Das war natürlich ein tolles Kompliment vom Trainer, das mich sehr gefreut hat. Die Mutter meiner Freundin hat mir das Zitat nach dem Spiel per Whatsapp geschickt. Sie hat es in den Niederlanden in den Nachrichten mitbekommen, hat es aufgenommen und meiner Freundin geschickt. Alle waren happy.
Sie haben gegen Vigo in der Innenverteidigung gespielt. Kommen auf dieser Position Ihre Stärken besonders zum Ausdruck?
Ich mochte die Art, wie wir in dieser Partie agiert haben. Wir haben dominant gespielt, standen in der Abwehr sehr hoch – und haben von hinten raus viele Angriffe gestartet. Es ist zwar immer ein kleines Risiko dabei, wenn man hinten durch die hohe Verteidigung mehr Raum lässt. Es besteht die Gefahr, überlaufen zu werden. Mir liegt das aber – ich sprinte gerne.
Beim 0:2 in Basel standen Sie dann als Linksverteidiger auf dem Platz – und zwar wie die Kollegen mit weniger Erfolg. Welche Position mögen Sie lieber?
Ich weiß, Sie wollen jetzt wahrscheinlich hören, dass mir die eine Position mehr gefällt als die andere. Aber das ist nicht der Fall: Ich habe von klein auf beide Rollen gespielt. Sie sind komplett unterschiedlich: Als Außenverteidiger musst du mehr laufen und nach vorne arbeiten, im Abwehrzentrum musst du eng am Mann sein. Aber ich mag sie beide. Ich glaube, dass es eine meiner Qualitäten ist, dass der Coach mich variabel einsetzen kann.
Sie gelten beim VfB einerseits als Allrounder, aber nicht als zwingend gesetzt in der ersten Elf. Sind Sie also in erstes Linie ein Kaderspieler, der reinkommt, wenn es bei anderen nicht läuft?
Als ich im Sommer 2024 von Vitesse Arnheim kam, da hatte ich noch ein paar ganz große Schritte zu gehen. Ich wusste das – und der Verein auch. Zunächst saß ich auf der Bank, ein paar mal auch auf der Tribüne. Langsam aber sicher habe ich dann mehr Spielzeit bekommen. Beim Auswärtsspiel in München am siebten Spieltag stand ich erstmals in der Bundesliga-Startelf. Ich habe also eine positive Entwicklung genommen.
Die Bilanz Ihrer Premierensaison beim VfB kann sich in der Tat sehen lassen. Sie hatten 25 Bundesligaeinsätze, acht davon über 90 Minuten.
Mein Hauptziel ist es, als Spieler weiter zu wachsen und so viel Spielzeit zu bekommen wie möglich. Ich stelle da keine Ansprüche. In dieser Saison hatte ich auch bereits Startelfeinsätze. Das freut mich – und ich möchte mit Blick in die Zukunft weiter wachsen und für den VfB ein wichtiger Spieler sein.
Wie haben Sie sich selbst gesehen, als Sie vor der Saison 2024/25 nach Stuttgart kamen? Als ein kleiner Spieler aus den Niederlanden, der jetzt bei einem großen Verein anfängt?
Ich war zuvor mit Vitesse Arnheim aus der ersten Liga, der Eredivisie, abgestiegen. Das war natürlich alles andere als ein Erfolg. Also trittst du bescheiden auf und weißt, dass du nicht die Hauptrolle im Team besetzt. Ich habe aber immer Gas gegeben – und mich hochgearbeitet.
Wie ist der VfB denn überhaupt auf Sie aufmerksam geworden?
Wir hatten einen Scout in Arnheim, der zum VfB gewechselt ist. Er hat den Verantwortlichen hier erzählt, sie sollten mich doch mal beobachten. Das haben sie getan – und dann hat mich Trainer Sebastian Hoeneß angerufen. Es war ein super Gespräch. Als mir dann mein Berater sagte, dass der VfB mich will, habe ich sofort zugesagt.
Sind Sie jetzt bereits in der Position, um Ansprüche zu stellen?
Nein. Das entspricht ohnehin nicht meinem Charakter. Ich bin der Typ Spieler, der immer alles reinlegt, um dem Coach auf diese Weise zu zeigen, dass ich bereit bin für die nächsten Aufgaben.
Gibt es für Sie aktuell ein Stammformation in der Innenverteidigung?
Durch einige Verletzungen und die vielen Spiele mussten wir im Abwehrzentrum bisher ja sehr oft rotieren. Das war in der vergangenen Saison vor allem in der Rückrunde anders. Ich weiß daher nicht, ob es Kollegen gibt, die gerade die Nase vorne haben. Und um ehrlich zu sein: Wenn wir alle gut spielen, dann ist das am Ende ja die Sache des Trainers. Er wird da weiterhin gute Entscheidungen treffen.
In der Bundesliga steht der VfB aktuell auf Rang vier. Spiegelt diese Platzierung die Realitäten wider? Sie haben noch nicht gegen die Topclubs wie Bayern, den BVB, Leipzig oder Leverkusen gespielt.
Wie heißt es so schön: Die Tabelle lügt nicht. Und ich finde, dass wir uns diese Position verdient haben. Wir haben als Team zuletzt viele Schritte nach vorne gemacht. Wenn wir die Energie weiter hoch halten, dann können wir auch in dieser Saison viel erreichen. Wenn wir über die Bundesliga den internationalen Wettbewerb erreichen könnten, dann wäre das eine tolle Sache.
Sie sind als Spieler U-17-Europameister geworden.
Das stimmt, wir haben damals in England mit den Niederlanden das EM-Turnier gewonnen. Ich komme aus der Jugend von Feyernoord Rotterdam, war nach Breda ausgeliehen, ehe ich zurück in Rotterdam zwar nicht viel gespielt habe – doch wir konnten 2022 immerhin das Finale der Conference League erreichen, das gegen AS Rom 0:1 verloren ging. Mit dem VfB treffen wir ja Anfang November in der Europa League zuhause auf meinen Heimatclub Feyenoord. Das wird eine ganz besondere Partie.
Haben Sie sich in Stuttgart inzwischen gut eingelebt?
Auf jeden Fall. Mit meinen Mitspielern Pascal Stenzel und Yannik Keitel und unseren Partnerinnen sind wir eine gute Gruppe – und unternehmen gerne etwas zusammen. Meine Freundin Kelly ist mit mir hierher gezogen. Sie hatte extra für mich nach ihrem Studium in Finanzwissenschaften ihren ersten Job in den Niederlanden aufgegeben. Jetzt hat sie hier einen neuen gefunden. Sie hat ihr Deutsch aus der Schule aufgefrischt – und fühlt sich wie ich in Stuttgart sehr wohl.
Zur Person
Ramon Hendriks
Geboren am 18. Juli 2001 in Südholland im fast namensgleichen Dorf Hendrik-Ido-Ambracht hat der VfB-Profi als zweitältestes Kind der Familie, die Mutter ist Krankenschwester, noch zwei Schwestern sowie einen jüngeren Bruder. Als 16-Jähriger wechselte Hendriks in die Jugendabteilung von Feyernoord Rotterdam, wurde in seiner Zeit als Profi in den Niederlanden zu den Clubs NAC Breda, FC Utrecht und Vitesse Arnheim ausgeliehen.
Verletzung
Pech für Hendriks im Sommer 2022, als er von Rotterdam gerade zum FC Utrecht verliehen worden war, um Spielpraxis zu sammeln. Im Urlaub riss sich der Verteidiger das Kreuzband. Als er im März wieder fit war, absolvierte er drei Spiele für Utrecht, ehe ihn eine weitere Knieverletzung erneut zu einer Pause zwang.