Nämlich?
Unser Interview erscheint vor der Premiere, oder? Soll man den Leuten die Überraschung nehmen? Das Gute an uns ist ja, dass es keine Vorlage gibt, die jeder brav liest und dann am Abend überprüft, was wir daraus gemacht haben. Wenn alles im Vorfeld schon so klar ist, finde ich es immer so unspannend. Und zu beruhigend.

Aber es wird doch sicher wieder um Rollen und Stereotype gehen, um Liebe . . .
Für die romantische Liebe sind alle anderen zuständig. Aber mir ist aufgefallen, dass viele Philosophen im Moment über die Dauer der Liebe reden. Es gibt einen Text von Adorno, in dem er sagt, dass „der Stimme des Herzens zu folgen“ – also zum Beispiel jemandem zu begegnen, der interessanter ist als der andere, und seinem Impuls zu folgen, was also nach Freiheit und Autonomie klingt –, dass das gerade ein Werkzeug der Gesellschaft ist. Und eben nicht das, was sich die bürgerliche Gesellschaft so auf die Fahne schreibt: Treue. Nicht wegzulaufen, wenn es kompliziert wird, wird da zum widerständigen Projekt.

Darum geht es also?
Ja, darum geht es an dem Abend.

Was wollen Sie mit Ihren Stücken erreichen?
Es gibt einen Satz von Donna Haraway, einer amerikanischen Philosophin, die über ihre Theorien sagt, sie seien Sehhilfe für die Wirklichkeit. Das könnte ich auch über unsere Abende sagen. Sie bilden keine Wirklichkeit ab und wollen nicht Miseren auf die Bühne bringen. Ich stelle keine Vergewaltigung nach, um deutlich zu machen, dass man etwas dagegen tun muss. Ohne die Ansage, dass das kritisch gemeint ist, stellt man ja eigentlich nur eine Vergewaltigung nach. Wir versuchen Gedanken auf der Bühne zu installieren. Und wir wollen unterhalten, wir machen schließlich Theater und keine Vorlesung.

Manche Theatermacher sind überzeugt, dass man nur durch das Als-ob, also durch das Nachspielen etwas lehren kann.
Je widerlicher und sadistischer eine Szene abgebildet wird, desto mehr wird im Repräsentationstheater gesagt: Ja, dann muss es wohl wahr sein. Diesem Kram traue ich nicht. Warum soll das wahr sein? Wenn Susanne Lothar in einem Film von Michael Haneke gequält wird, soll das wahrer sein, als wenn er sie gut behandelt hätte?