Sahra Wagenknecht, die Vize-Parteichefin der Linken, wirft der SPD vor, sie wolle das Land gar nicht sozialer machen. Damit verkaufe sie ihre Wähler für dumm, so Wagenknecht im Interview.

Stuttgart – Am Wochenende wollen die Linken ihr Programm „100 Prozent sozial“ für die Bundestagswahl auf ihrem Parteitag in Dresden verabschieden.
Frau Wagenknecht, ist es frustrierend, dass Rot-Grün alle Kooperationsangebote der Linkspartei brüsk zurückweist?
Ich finde es bedauerlich, dass die SPD es offenkundig aufgegeben hat, die Politik in diesem Land in sozialer Richtung zu verändern. Einerseits hat sie ein Wahlprogramm, das sich in einigen Positionen mit uns deckt. Andererseits schließt sie eine Zusammenarbeit mit der Linken aus. Das heißt, dass sie ihre Wähler für dumm verkauft. Denn weder einen ordentlichen Mindestlohn, noch Bankenregulierung, noch Einschränkung von Leiharbeit wird es in Koalitionen mit der CDU oder der FDP geben. Selbst bei einer Regierung mit den Grünen hätte ich da Zweifel, aber diese Variante hat ja angesichts der Umfragen sowieso keine Mehrheit.

Ist für Sie persönlich – mit Ihrer kommunistischen Vergangenheit – der Prozess der bundespolitischen Öffnung für Bündnisse ohnehin nur schwer zu akzeptieren?
Nun, zumindest die „kommunistische Vergangenheit“ habe ich ja mit Jürgen Trittin und sogar mit Frau Merkel gemeinsam. Aber im Ernst: Wir dienen uns der SPD nicht an, sondern sagen klar, was mit uns ginge und was nicht. Diese Strategie ist nichts Neues. Auch Oskar Lafontaine hatte dem damaligen SPD-Vorsitzenden Kurt Beck wiederholt angeboten, dass er Kanzler werden könnte, wenn er einen Mindestlohn von zehn Euro einführen, die gesetzliche Rente wiederherstellen und die Soldaten aus Afghanistan abziehen wollte. Frustrierend ist, dass die SPD auch zehn Jahre nach der Agenda 2010 keine sozialdemokratische Politik machen will.

Die SPD hat doch jetzt einen Gewerkschaftsvorsitzenden und ausgewiesenen Agenda-Kritiker in ihrem Kompetenzteam.
Die Aura dieses Kompetenzteams scheint das Denken schnell zu vernebeln. Plötzlich hat Herr Wiesehügel nichts mehr gegen die Rente mit 67. Lediglich Versicherte mit 45 Beitragsjahren sollen vorher aussteigen können. Auch zur Agenda 2010 fällt ihm nicht mehr viel Kritisches ein. So etwas gibt es leider öfter. Wir erinnern uns an Walter Riester, der als Gewerkschafter gestartet ist und als Rentenprivatisierer und Kompagnon von Finanzhai Maschmeyer endete.

Könnte es nach der Wahl zu einer Tolerierung von Rot-Grün kommen?
Herr Steinbrück ist ein Mann der Banken. Er hat kein Problem mit Leiharbeit und Hartz IV. So eine Politik ist für uns nicht tolerabel.