Sie lebt schon lange in Berlin, kommt aber aus Freudental: Bekannt wurde Friederike Kempter vor allem als Assistentin der kauzigen Ermittler im Münsteraner „Tatort“. Jetzt ist die Schauspielerin in „Tschick“ zu sehen.

Freudental - Im Münsteraner „Tatort“ kennt man sie als Assistentin Nadeshda Krusenstern, doch auch im Kino ist Friederike Kempter häufiger zu sehen: aktuell in Karoline Herfurths „SMS für dich“ und in Fatih Akins „Tschick“. Im Interview spricht Friederike Kempter über scheinbar unattraktive Rollen, den Kontrast zwischen Großstadt und Provinz, Eitelkeit und Fechten an der Schauspielschule.

 
Frau Kempter, Sie sind in Freudental geboren und die einzige berühmte Tochter der Gemeinde. Macht Sie das stolz?
Nee, das löst nichts aus. Wenn ich nach Hause komme, fühle ich mich lediglich als Tochter oder Schwester oder Tante.
Freudental liegt in einer Wein-Gegend. Haben Sie ein Faible für guten Wein?
Ich trinke gerne ab und zu Wein, kenne mich aber nicht besonders gut aus.
Wann waren Sie das letzte Mal betrunken?
Darüber möchte ich nicht sprechen. Aber ich sag mal so: Es war herrlich. (grinst)
Was ist das bescheuertste, das Sie je betrunken gemacht haben?
Der Klassiker: Als Jugendliche bin ich nachts ins Freibad eingebrochen.
Freudental ist eine kleine Gemeinde. Mögen Sie dieses Provinzielle oder waren Sie immer mehr der Großstadt-Typ?
Ich hatte schon als Kind die Sehnsucht nach der Stadt. Gleichzeitig bin ich froh, meine Kindheit auf dem Land verbracht zu haben. Ich habe mich frei gefühlt, war jeden Tag zum Spielen draußen. Als Teenager hat mir das aber nicht mehr gereicht.
Wann war Ihnen klar, dass Sie Schauspielerin werden wollen?
Mit fünf. Da stand ich das erste Mal auf der Bühne. Und auch später habe ich jede Gelegenheit wahrgenommen, auf der Bühne zu stehen. Mit meiner Schwester habe ich Hörspiele aufgenommen und mir Geschichten ausgedacht und aufgeschrieben.
Also hätten Sie auch Autorin werden können.
Ich habe mal kurz über Journalismus nachgedacht, aber schnell gemerkt: Die Leidenschaft liegt ganz klar bei der Schauspielerei.
Sie haben Schauspiel studiert, wo Sie auch Fächer hatten wie Atemtechnik, Sprecherziehung, Pantomime...
Pantomime war nie mein Ding. Wir hatten auch Fechten, aber darin war ich auch keine große Meisterin.
Fechten?
Ja. Das hört sich etwas antiquiert an, ist aber gutes Körpertraining.
Hat Sie Ihre Zeit an der Schauspielschule sehr geprägt?
Nicht so sehr. Mich haben vor allem einzelne Lehrer geprägt.
Fällt es Ihnen leichter, Rollen zu spielen, die näher an Ihnen selbst dran sind?
Es ist vielleicht leichter, aber auch langweiliger. Mich interessiert es mehr, wenn ich Neues ausprobieren kann. Ich versuche etwas in mir zu finden, das ich in den Charakter meiner Rolle übersetzen kann, sodass es etwas in mir auslöst. An dieser Technik arbeite ich gerade: Zu versuchen, nicht nur im Kopf ein anderer Mensch zu sein, sondern auch mit dem Herzen.
Wie würden Sie eine Mutter spielen, die ihr Kind verliert?
Ich würde nach einem vergleichbaren Gefühl für diesen Schmerz in mir suchen, anstatt in der bekannten Pose mit der zitternden Oberlippe zu verharren, die man schon tausendmal gesehen hat. Gerade bei der Arbeit fürs Fernsehen wird aus Mangel an Zeit für Proben, und weil man oft das Bedürfnis hat, gut zu funktionieren, auf die vermeintlich naheliegendste Darstellung eines Vorgangs zurückgegriffen.
Haben Sie manchmal Schwierigkeiten, ein solches Gefühl wieder loszuwerden?
Nein. Ich muss aus solchen Gefühlen auch immer schnell wieder raus, weil das sonst so eine Gefühlssoße ergibt. Selbst bei den schlimmsten Szenen muss ich zwischendurch Witze machen, um dann vom Hellen wieder zurück ins Dunkle zu gelangen.
Sie haben einmal Tom Hanks zitiert, der sagte, dass er am Anfang seiner Karriere alles gespielt und dadurch wahnsinnig viel gelernt hat. Folgen Sie diesem Credo noch?
In letzter Zeit sage ich auch das eine oder andere ab. Aber manchmal lernt man wahnsinnig viel durch scheinbar unattraktive Rollen und manchmal freut man sich total auf ein Projekt, dass sich am Ende aber als eher unspektakulär herausstellt.
Gibt es Rollen, die Sie nicht spielen möchten?
Ja. Alle plumpen, oberflächlichen und stereotypen Frauenrollen in unoriginellen Geschichten: Mädchen sucht Traumprinz .
Aktuell sind Sie gleich in mehreren TV- und Kinofilmen zu sehen, doch als Schauspieler hat man auch Phasen, in denen man nicht so viel zu tun hat. Macht Ihnen das Angst?
Ja, aber weniger als früher. Das geht allen Schauspielern so. Dabei geht es aber nicht bloß darum, zu spielen, sondern auch darum, sich weiterentwickeln zu wollen. Bei mir kommt hinzu: Ich bin sehr ungeduldig.
Gerade drehen Sie den Film zum Roman „Einsamkeit und Sex und Mitleid“, in dem es darum geht, wie man mit zwischenmenschlichen Gefühlen und Bedürfnissen in einer Großstadt umgeht. Wo liegt für Sie der größte Unterschied von Großstadt zum Land?
In der Großstadt führt das Überangebot in allen Bereichen zu mehr Konfusion. Man ist immer auf der Suche nach etwas Besserem, einer Optimierung – und das führt paradoxerweise oft zu Einsamkeit. Viele Leute verlassen ihre Heimat ja, weil sie woanders ihr Glück suchen. Sie sind auf der Suche nach einer Verheißung, die sie in ihrer Heimat nicht gefunden haben. Aber das betrifft wohl vor allem die Phase zwischen zwanzig und dreißig.
Haben Sie diese Phase hinter sich gelassen?
Ja. Und ich kann sagen: Ich bin glücklich.
Ist dieser Selbstoptimierungswahn ein reines Frauending?
Nö, ich glaube das betrifft Männer wie Frauen.
Wie eitel sind Sie auf einer Skala von eins bis zehn?
(überlegt) Sieben, würde ich sagen. Aber das ist tagesformabhängig. An guten Tagen habe ich auch kein Problem damit, ungeschminkt und in Schlabberhose durch die Stadt zu laufen.
Hätte man Sie vor zehn Jahren gefragt, wie Ihr Leben heute wohl aussähe: Hätten Sie in etwa richtig gelegen?
Komischerweise fühle ich mich gar nicht groß anders als vor zehn Jahren. Ich habe irgendwann den Bezug zu meinem Alter verloren. Diese Zahl hat keine große Bedeutung mehr. Ich fühle mich nicht wie 36. Eher wie jemand, der schon lange 27 ist.