Der Erfolgsautor Sebastian Fitzek glaubt, dass Thriller es in Deutschland schwer haben. Immerhin: sein Buch „Das Kind“ ist verfilmt worden und läuft von Donnerstag an im Kino.

Nachrichtenzentrale: Nadia Köhler (nl)
Stuttgart – Die Therapie“ heißt das Buch, mit dem Sebastian Fitzek (41) 2006 einen echten Überraschungserfolg landen konnte. Seitdem veröffentlicht der promovierte Jurist und Journalist jedes Jahr mindestens einen neuen Thriller. Sie heißen „Der Seelenbrecher“, „Der Augensammler“ oder – ganz aktuell – „Abgeschnitten“. Und wie die Titel vermuten lassen, geht es darin nicht gerade zimperlich zu. Doch bei der ersten Verfilmung eines seiner Bücher musste Fitzek, der mehr als drei Millionen Thriller in Deutschland verkauft hat, sich nun mit einer absoluten Low-Budget-Produktion zufrieden geben. 1,4 Millionen Euro hat der Film „Das Kind“ gekostet – weniger als ein „Tatort“. Wie er sich das erklärt, erzählt er im Gespräch mit Nadia Köhler.
Herr Fitzek, wenn ich Ihren Namen bei Amazon eingebe, dann werden mir auch die Bücher von Simon Beckett, Jussi Adler Olson und John Katzenbach vorgeschlagen. Warum sollte ich mich aber unbedingt für Fitzek entscheiden?
Amazon schlägt Ihnen halt die erfolgreichsten vor. Das bedeutet aber nicht, dass all diese Autoren den gleichen Geschmack bedienen. Ich zum Beispiel bin kein großer Fan von skandinavischen Krimis, obwohl Henning Mankell einer meiner Lieblingsautoren ist. Und von Simon Beckett mag ich einige Bücher, manche aber auch nicht.

Alle diese Bücher ähneln sich also nicht?
John Katzenbach schreibt als einziger auch Psychothriller, die anderen sehen sich eher als Krimiautoren. Und bei meinem neuesten Buch „Abgeschnitten“, das ich mit Michael Tsokos, dem Leiter des Instituts für Rechtsmedizin an der Berliner Charité, geschrieben habe, gibt es nun auch eine Parallele zu Simon Beckett. Obwohl Tsokos sagt, was der Beckett schreibt, sei aus fachlicher Sicht Humbug. Lesen tut er ihn trotzdem gern. Ich fände es aber besser, wenn Ihnen nicht die Bestseller vorgeschlagen würden, sondern unentdeckte Perlen.

Die da wären?
Ich würde Ihnen „Kein Sterbenswort“ von Harlan Coben empfehlen. Er ist in den USA und Frankreich ein Star. Ich wurde dort mit dem Slogan „Der nächste Harlan Coben ist deutsch“ beworben.

Was kann nur Fitzek?
Ich habe meinen eigenen Stil. Und: es ist eben mal was Deutsches. Bei mir muss ein Psychothriller nicht in New York spielen, Berlin tut es auch.

Was macht Ihren eigenen Stil aus?
Stephen King sagt über das Schreiben: Einfach anfangen und nach drei Monaten muss man fertig sein. Das finde ich nicht allzu hilfreich.

Aber viel länger brauchen Sie doch auch nicht für Ihre Bücher.
Ich brauche drei Monate für den ersten Entwurf, nicht für das fertige Buch. Anfang und Ende stehen bei mir immer fest, nur in der Mitte lasse ich mich treiben. Aber Stephen King schreibt auch, dass es zwei Sorten von Thrillerautoren gibt. Die einen ähneln einem Kreuzfahrtschiff, das erst auf hoher See – also etwa nach hundert Seiten – richtig Fahrt aufnimmt. Und es gibt Schreiber, bei denen besteigt man ein Speedboot und wird von der ersten Seite an mitgerissen. Mal nimmt man gerne ein Kreuzfahrtschiff und mal gerne ein Speedboot.

Bei Ihnen fahre ich Speedboot?
Ja, ich will, dass die Leute von der ersten Seite an gepackt werden. Bei mir lernen Sie eine Figur durch deren Handlungen in all ihren Facetten kennen. Ich schreibe keine lange Exposition, in der alle Figuren erst einmal ausführlich eingeführt werden.

Sie sehen sich als Kapitän eines Speedbootes. Literaturkritiker sehen in Ihnen oft einen Amateur, der sich auf dem Buchmarkt durchgesetzt hat. Ärgert Sie das?
Amateur habe ich jetzt noch nicht gelesen. Eher Phänomen, weil sich die Kritiker wundern, warum ein Buch, das sie nicht kennen, alle überholt, die sie empfehlen.

Wäre Schriftsteller schöner als Phänomen?
Das ist mir völlig wurscht. Die englische „Times“ hat mein letztes Buch als Meisterwerk bezeichnet. Im Ausland gibt es da eine ganz andere Tradition. Die wissen einfach, dass man unterschiedliche Maßstäbe an unterschiedliche Bücher anlegen muss. Bei uns ist es ja fast ein Negativkriterium, auf der Bestellerliste zu erscheinen.

An den Werken von Stieg Larsson und Jussi Adler Olson war Hollywood schnell interessiert. Warum tut sich ein Erfolgsautor wie Sie so schwer, einen Film zu machen? „Das Kind“ bekam keine öffentlichen Fördergelder. Sie haben es nur mit Hilfe Ihres Freundes, des Regisseurs Zsolt Bács, geschafft, das Buch auf die Leinwand zu bringen.
Auch das ist ein typisch deutsches Phänomen. Die Ressentiments gegenüber Psychothrillern sind hier unheimlich groß. Deutschland ist ein Krimiland. Es ist nicht üblich, einen deutschen Autor zu verfilmen. Hier ist der Skandinavien-Boom ausgebrochen. Ich habe jetzt Anfragen von Produzenten, die sagen, wir müssten die Handlung aber nach Schweden verlegen und von schwedischen Schauspielern spielen lassen, damit der Film dann wieder von den deutschen Fernsehanstalten zurückgekauft wird. Da aber auch dieser Plan vermutlich nicht funktionieren wird, werde ich wohl mit der nächsten Produktion ins Ausland gehen müssen.