Das hängt von den Lösungen ab, die wir finden werden. Wenn wir einen gesamtgesellschaftlichen Energiekonsens hinkriegen, wird es auch kein Problem sein, dafür Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat zu erlangen. Ich bin froh, dass Angela Merkel angesehene Persönlichkeiten gewonnen hat, die diese Diskussion, wie die Energieversorgung der Zukunft aussehen kann, jetzt aufnehmen werden.

 

In Ihren neuerdings atomkritischen Reden klingt es so, als hätten Sie den Stromkonzern EnBW nur deshalb gekauft, um Atomkraftwerke abschalten zu können.

Wir als Land haben die EnBW weder gekauft, weil wir der Meinung waren, Atomkraftwerke werfen den größten Ertrag ab, noch sind wir diesen Schritt gegangen, um Kernkraftwerke abschalten zu können. Eine Katastrophe wie in Japan lag am 6.Dezember, als wir den Vertrag unterzeichneten, noch außerhalb meiner Vorstellungskraft. Das Ziel war vielmehr, in einem sehr schmalen Zeitfenster sicherzustellen, dass für unser Land wichtige Weichenstellungen hier und nicht in Frankreich oder Russland getroffen werden.

Aber Sie würden nicht mehr sagen, dass es absoluter Quatsch ist, dass die EnBW jetzt erst einmal an Wert verloren hat.

Aber ja doch. Ich kann auch begründen, warum. Schon jetzt stammen 25 Prozent der Erträge der EnBW aus erneuerbaren Energien. Im Geschäftsbericht können Sie nachlesen, dass deren Anteil am Ertrag in den nächsten drei Jahren auf 50 Prozent steigen wird. Sie werden in Deutschland keinen Energiekonzern finden - wahrscheinlich auch nicht in Europa -, der die erneuerbaren Energie so voranbringt wie die EnBW. Mit großen Windparks auf See und einem Laufwasserkraftwerk in Rheinfelden.

Ich bin dennoch zuversichtlich - auch deshalb, weil ich mich im vergangenen Dreivierteljahr mehrfach in sehr schwierigen Situationen befand, und dann haben wir es jedes Mal geschafft, dass es wieder aufwärtsging. Das Land steht ausgezeichnet da, und die Menschen werden sich in der Wahlkabine überlegen, ob sie das wirklich riskieren wollen.

Betrachten Sie es im Nachhinein als Fehler, dass Sie sich so sehr für die Laufzeitverlängerung der Atommeiler verkämpft haben?

Ich habe das aus Überzeugung und auf der Basis von Sachgründen gemacht. Die Laufzeitverlängerung war Teil des Wahlprogramms von CDU und FDP im Bundeswahlkampf 2009. Wir haben vor der Wahl gesagt, dass wir das anstreben, wir haben die Wahl gewonnen, dann das Vorhaben in den Koalitionsvertrag geschrieben und schließlich umgesetzt. Es ist ja nicht so, dass wir das alles heimlich gemacht hätten. Ich habe die Laufzeitverlängerung in der Öffentlichkeit vertreten, und genau deshalb empfinde ich jetzt eine besondere Verantwortung, mich darum zu kümmern, wie es in der Energiepolitik weitergeht.

Nun stehen Sie als Wendehals da.

Das sehe ich nicht so. Was wäre denn gewesen, wenn ich am Tag der Katastrophe hingestanden wäre und gesagt hätte: Japan ist weit weg, 12000 Kilometer, das geht uns nichts an, unsere Kraftwerke sind sicher? Das wäre als absolut ignorant angesehen worden. Und das entspräche auch nicht meinem Empfinden. Wie viele andere auch war ich der aufrichtigen Überzeugung, dass ein solches Reaktorunglück in einem Hochtechnologieland nicht geschehen kann. Ich habe dazugelernt, ohne jetzt in die entgegengesetzte Richtung zu fahren.

Sie distanzieren sich wieder von Ihrer Distanzierung von der Atomenergie?

Ich will verantwortungsvoller handeln als die Grünen. Herr Kretschmann macht es sich sehr einfach. Er verspricht den Ausstieg aus der Kernenergie, will gleichzeitig auch aus Kohlekraft und Gas aussteigen. Verantwortungsvoll heißt für mich: ich bin zu ergebnisoffenen Verhandlungen bereit, wir können über alles reden, aber wir brauchen eine Lösung. Denn der Strom kommt nicht einfach so aus der Steckdose. Strom muss bezahlbar bleiben, und er muss verfügbar sein. Und Import kann ja wohl auch nicht die Lösung sein.

Deutschland exportiert Strom.

Nicht, nachdem wir sieben ältere Kernkraftwerke vorläufig abgeschaltet haben, NeckarwestheimI sogar auf Dauer. Damit wird Deutschland Nettoimporteur von Strom. Baden-Württemberg bezieht jetzt schon über 20 Prozent seines Stroms von außerhalb. Wir importieren in diesen Tagen Atomstrom aus dem französischen Atomkraftwerk Fessenheim und aus einem Ölkraftwerk in Polen, das wieder ans Netz genommen wurde, damit wir in Deutschland genügend Energie haben - von einem Kraftwerk, das weit davon entfernt ist, unsere Standards in Sachen Sicherheit und Umweltverträglichkeit zu erfüllen. Wir brauchen eine Gesamtdiskussion. Ich bin bereit, sie zu führen, um zu einem nationalen Energiekonsens zu gelangen.

Wie könnte ein solcher Konsens aussehen?

Der steht am Ende einer ergebnisoffenen Diskussion. Die Menschen wollen ja nicht nur einen möglichst schnellen Ausstieg aus der Kernenergie, sie wollen natürlich auch Versorgungssicherheit und bezahlbare Preise. Um dieses magische Dreieck geht es. Denn nicht bei jedem sitzt das Geld so locker, um mal eben 20 oder 30 Euro mehr für den Strom zu zahlen.

Wird eine neue gesetzliche Regelung erforderlich sein?

Das hängt von den Lösungen ab, die wir finden werden. Wenn wir einen gesamtgesellschaftlichen Energiekonsens hinkriegen, wird es auch kein Problem sein, dafür Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat zu erlangen. Ich bin froh, dass Angela Merkel angesehene Persönlichkeiten gewonnen hat, die diese Diskussion, wie die Energieversorgung der Zukunft aussehen kann, jetzt aufnehmen werden.

In Ihren neuerdings atomkritischen Reden klingt es so, als hätten Sie den Stromkonzern EnBW nur deshalb gekauft, um Atomkraftwerke abschalten zu können.

Wir als Land haben die EnBW weder gekauft, weil wir der Meinung waren, Atomkraftwerke werfen den größten Ertrag ab, noch sind wir diesen Schritt gegangen, um Kernkraftwerke abschalten zu können. Eine Katastrophe wie in Japan lag am 6.Dezember, als wir den Vertrag unterzeichneten, noch außerhalb meiner Vorstellungskraft. Das Ziel war vielmehr, in einem sehr schmalen Zeitfenster sicherzustellen, dass für unser Land wichtige Weichenstellungen hier und nicht in Frankreich oder Russland getroffen werden.

Aber Sie würden nicht mehr sagen, dass es absoluter Quatsch ist, dass die EnBW jetzt erst einmal an Wert verloren hat.

Aber ja doch. Ich kann auch begründen, warum. Schon jetzt stammen 25 Prozent der Erträge der EnBW aus erneuerbaren Energien. Im Geschäftsbericht können Sie nachlesen, dass deren Anteil am Ertrag in den nächsten drei Jahren auf 50 Prozent steigen wird. Sie werden in Deutschland keinen Energiekonzern finden - wahrscheinlich auch nicht in Europa -, der die erneuerbaren Energie so voranbringt wie die EnBW. Mit großen Windparks auf See und einem Laufwasserkraftwerk in Rheinfelden.

Deshalb ist die Schlussfolgerung, der Wert des Unternehmens sinke, wenn die Kernkraft jetzt voraussichtlich schneller ihrem Ende entgegengeht, völlig abwegig. Als Rot-Grün die Laufzeiten verkürzte, ist der Wert der Aktie auch nicht nach unten gegangen. Die Zukunftsaussichten von Energiekonzernen sind mit Blick auf den Energiehunger, den wir in Deutschland und vor allem in Baden-Württemberg haben, die allerbesten. Deshalb ist es Unfug davon zu reden, die Aktie ginge in den Keller.

Angela Merkel engagiert sich in diesem Wahlkampf wie noch kein Kanzler in Baden-Württemberg. Welchen Anteil am Wahlergebnis wird sie haben?

Einen großen. Angela Merkel hilft uns enorm. Die Zusammenarbeit mit ihr ist hervorragend und ihr Einsatz sehr gut für uns.

Sie galten ja in gewisser Weise als Gegenmodell zu Angela Merkel: Mappus die Eiche, Merkel die Trauerweide. Jetzt sagen Sie plötzlich, Sie bewunderten die Kanzlerin.

Dieser Einschätzung kann ich, was die Bundeskanzlerin angeht, nicht zustimmen. Wie Angela Merkel diese Aufgabe erfüllt, kann man wirklich nur bewundern. Meine Aufgabe ist schon ziemlich fordernd. Aber wenn ich sehe, was die Kanzlerin allein derzeit alles zu bewältigen hat: in Brüssel geht's um den Rettungsschirm für den Euro, dazu die Krise im arabischen Raum, Libyen, Awacs, die Kernenergiethematik nach dem Erdbeben in Japan, dazu mehrere Landtagswahlen. Ich leide schon nicht gerade unter Beschäftigungsmangel, aber was die Frau leistet und was auf ihr lastet, da empfinde ich schon Bewunderung.

Sie sind seit einem Jahr Ministerpräsident. Was war Ihre beste Entscheidung?

Sie treffen in diesem Amt jeden Tag so viele Entscheidungen. Und man hofft natürlich immer, dass viele gute dabei sind.

Sie müssen sich auf eine konzentrieren.

Die beste, weil schwierigste, anfänglich auch die umstrittenste Entscheidung war, die Idee der Grünen aufzugreifen und Heiner Geißler zu bitten, bei Stuttgart 21 die Schlichtung zu übernehmen.

Natürlich folgt jetzt die Frage nach dem größten Fehler.

Es gibt nichts, von dem ich sagen könnte, das würde ich völlig anders machen. Aber ich würde heute versuchen, die Schlichtung früher hinzubekommen. Dann wäre mir manches erspart geblieben. Vor allem aber dem Land und der Stadt Stuttgart, denn die Schlichtung hat nicht nur Stuttgart 21 verbessert, sondern eine sachliche Diskussion erst wieder möglich gemacht. Und damit ein besseres Klima bewirkt.

Sie betonen immer wieder, Sie nähmen den Grünen krumm, dass sie die Schlichtung nicht akzeptieren. Aber Sie haben selbst immer betont, Sie akzeptierten alles, nur keinen Baustopp. Zeugt das nicht von einer doppelten Moral?

Ich habe dann mit Winfried Kretschmann und Heiner Geißler die Schlichtung vereinbart. Wenn man mit mir etwas vereinbart, dann gilt das. Alles ist bis zur letzten Sitzung ausverhandelt worden, als Heiner Geißler zwischen Befürwortern und Gegnern hin und her gependelt ist, um den Schlichterspruch zu verkünden. Dass die Grünen diesen dann auf einmal nicht mehr akzeptiert haben, das nehme ich ihnen schon übel.

Die CDU nimmt für sich in Anspruch, der Wohlstandsgarant Baden-Württembergs zu sein. Was wollen und was können Sie überhaupt dafür tun, dass das so bleibt.

Eine ganze Menge. Wirtschaftliche Prosperität ist von einer Reihe von Faktoren abhängig, die wir beeinflussen. Allem voran steht die Bildung, das zentrale Zukunftsthema. SPD und Grüne wollen die Einheitsschule. Dabei haben wir zusammen mit Bayern und Sachsen das beste Bildungssystem in Deutschland. Alle Bundesländer, die viele Gesamtschulen haben, liegen in den Vergleichsstudien hinter uns. Dasselbe gilt für die Hochschulen: vier von neun Eliteuniversitäten liegen in Baden-Württemberg. Kein anderes Land investiert so viel in Bildung wie wir, kein anderes Land investiert - Staat und Privatwirtschaft zusammengenommen - so viel in Forschung und Entwicklung, nämlich 4,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der höchste Wert auf dieser Welt.

Dass wir die niedrigste Arbeitslosigkeit und das höchste Wirtschaftswachstum haben, hat viel mit pfiffigen Unternehmern und fleißigen Arbeitnehmern zu tun, aber auch mit der Politik. Insofern steht am Sonntag viel auf dem Spiel.

Haben Sie einen persönlichen Plan B für den Fall, dass die Wahl verloren geht?

Nein, denn ich habe die feste Absicht, die Wahl zu gewinnen, und bin davon überzeugt, dass das auch so eintreten wird.

Ist das die Wahrheit oder ein Fall von Autosuggestion, die man haben muss, um so einen Wahlkampf durchzustehen?

(Lacht) Nein, das brauche ich nicht. Ich bin aber der Überzeugung, dass es meinen politischen Freunden und mir nach einem wahrlich schwierigen Jahr und in einer nicht ganz einfachen Situation gelingen wird, die Erfolgsgeschichte des Landes nicht aufs Spiel zu setzen und am Sonntag eine Mehrheit zu erreichen.

Blitzaufsteiger mit Pech im Landtagswahlkampf

Aufstieg Stefan Mappus kommt, wie er stolz betont, aus bescheidenen Verhältnissen. Der Schuhmachersohn wurde 1966 in Pforzheim geboren und ist, auch das hat er dieser Tage verraten, ein gläubiger evangelischer Christ, der jeden Tag betet. Nach dem Abitur folgte das Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. 1996 zog er in den Landtag ein. Gefördert vom Ministerpräsidenten Erwin Teufel avancierte er schnell zum Staatssekretär und Umwelt- und Verkehrsminister.

Verantwortung Der entscheidende Karriereschritt gelang ihm 2005, als er sich gegen den damaligen Agrarminister Peter Hauk bei der Wahl zum CDU-Fraktionschef durchsetzte. Zielstrebig baute er sich zum potenziellen Nachfolger des Ministerpräsidenten Günther Oettinger auf. Als dieser bekannt gab, als EU-Kommissar nach Brüssel zu wechseln, reagierte Mappus blitzschnell. Seit gut einem Jahr amtiert der inzwischen 44-Jährige nun in der Stuttgarter Villa Reitzenstein.

Herausforderung Zwei Ereignisse prägen die bisherige Amtszeit des Pforzheimers: der Protest gegen Stuttgart 21, der am 30. September vergangenen Jahres in den Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten mündete, und das Atomunglück von Fukushima, das Mappus als bis dahin vehementen Befürworter der Atomenergie auf dem falschen Fuß erwischte. Und das kurz vor der Wahl. Nun will er verhindern, dass die CDU erstmals seit fast 58 Jahren die Regierungsmacht im Land verliert.