Stefan Martus, der Bürgermeister von Philippsburg, wirft der Landesregierung vor, Zusagen gebrochen zu haben. Die Gemeinde sieht sich als Opfer des Endlager-Kompromisses.

Stuttgart – Der Bürgermeister von Philippsburg, Stefan Martus, ist wenig begeistert über die Tatsache, dass möglicherweise Castoren mit Atommüll aus fremden Werken auf seine Stadt zurollen.
Herr Martus, sind Sie erleichtert über den nationalen Konsens in Sachen Endlagersuche? Schließlich ist es auch für Sie wichtig zu wissen, wann das Zwischenlager in Philippsburg geräumt werden kann.
Ich begrüße sehr, dass endlich ein Endlager gesucht, gefunden und gebaut werden soll und dass dies im nationalen Konsens und über alle Parteigrenzen hinweg entschieden worden ist. Aber wir sollen hier eine Kröte schlucken – und dagegen wehren wir uns. Es geht um die fünf Castoren mit Brennelementen, die noch im französischen La Hague lagern und von der Bundesregierung zurückgenommen werden müssen. Dass die im Zwischenlager Philippsburg gelagert werden sollen, wie es Ministerpräsident Kretschmann in einem Interview angedeutet hat, damit sind wir nicht einverstanden.

Ministerpräsident Kretschmann wird derzeit selbst in konservativen Medien als „Blockadelöser“ gefeiert – was stört Sie an seinem Vorgehen?
Herr Kretschmann verkennt mit seiner Zusage die Rechts- und Genehmigungslage in Philippsburg. Und er missachtet klar den gesellschaftlichen Kompromiss, den die Philippsburger hier zähneknirschend akzeptieren mussten. Als unser Zwischenlager 2003 genehmigt worden ist, da stand in der Genehmigung ausdrücklich drin, dass hier nur Castoren mit Brennelementen aus dem Kernkraftwerk Philippsburg eingelagert werden dürfen. Daran sollte festgehalten werden. Das haben wir auch bereits am 22. November 2011 in einer Resolution von Gemeinden aus dem Umkreis von 20 Kilometern verlangt – fast einstimmig beschlossen. Auch Karlsruhe, Germersheim und die Region Mittlerer Oberrhein haben sich dem vollinhaltlich angeschlossen. Damals schon war der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller auf die Idee gekommen, einen Transport mit 13 Castoren in Philippsburg enden zu lassen.

Bei Ihnen in Philippsburg ist ja theoretisch Platz für 152 Castoren – fallen denn da ein halbes Dutzend atomare Müllbehälter zusätzlich aus fremden Atomkraftwerken so ins Gewicht?
Wir haben hier die Genehmigung für 152 Castoren, derzeit sind 36 eingelagert. Jetzt neue aus fremden Werken einzulagern, das wäre für uns ein enormes politisches Drama, und es macht uns wirklich viel aus. Wir werden dagegen auch ein politisches Signal setzen mit zivilem Ungehorsam. Es geht auch um technische Unterschiede: die für uns geplanten Castoren stellen einen anderen Typ dar und beinhalten auch andere Brennelemente. Deshalb ist die Genehmigung auch so, wie sie ist: Sie besteht nur für Philippsburger Brennelemente.