Justus Pankau gehört zu den Koryphäen seiner Zunft. Der Kameramann aus Stuttgart ist ein Zeitzeuge der deutschen Filmgeschichte und ein Charakterkopf im Stuttgarter Kulturleben.

Stuttgart – - Kürzlich musste das rechte Lid operiert werden. Berufsschaden – 60 Jahre lang drückte Justus Pankau sein Auge an das Sucherokular. Der Kameramann ist ein Zeitzeuge der deutschen Fernsehgeschichte und ein Charakterkopf im Stuttgarter Kulturleben.
Herr Pankau, Sie haben Ihren Beruf 1950 bei der „Neuen Deutschen Wochenschau“ mit einer Kamera erlernt, die noch von Hand gekurbelt wurde. Haben es Ihre Kollegen im 21. Jahrhundert besser?
Nein, weil sie Sklaven der Technik sind. Alles, was gefilmt wird, kann sofort kontrolliert werden. Wenn’s nicht gefällt, nimmt man’s halt noch mal auf. Immer und immer wieder. Ich habe früher erst drei Tage später gesehen, was ich gefilmt hatte. Natürlich war das belastend. Aber der Druck, den ich gespürt habe, weil es keine Möglichkeit gab, etwas Missratenes im Nachhinein zu korrigieren, hat mir gut getan. Zudem musste ich mit dem Filmmaterial haushalten, das war ja teuer und musste entwickelt werden. Man drehte deshalb schon im Kopf auf Schnitt. Ich war gezwungen, durchdacht und konzentriert zu arbeiten.
Am Computer lassen sich doch auch ganz hübsche Sachen machen.
Selbstverständlich kann man viele künstliche Effekte erzeugen, aber die Digitalisierung verführt auch zu einer gewissen Oberflächlichkeit: Die Verpackung wird immer größer und der Inhalt immer dürftiger. Durch die Technik ist zwar vieles möglich geworden, was einst undenkbar war, sie führt aber auch zur Verblödung. Man übertreibt das Spektakel.
Das Publikum ist an starke Reize gewöhnt.
Mir erschließt sich der Sinn dieses optischen Kreischens nicht. Bei der „Tagesschau“ ist mir die Kulisse beispielsweise wurscht, ich will einfach nur gut informiert werden. Dennoch wird das Studio für zig Millionen modernisiert, völlig überflüssig.
1954 kamen Sie zum Süddeutschen Rundfunk nach Stuttgart. Wie ging es damals zu?
Die Rundfunkanstalten begannen gerade damit, Fernsehen zu machen. Beim SDR gab es eine Gruppe junger Reporter, die bei der BBC in London hospitiert hatten. Martin Walser gehörte zum Beispiel dazu. Außerdem waren Leute vom Film und vom Theater engagiert worden. Das war ein Unterschied zu anderen Sendern wie dem SWF oder dem WDR, bei denen einfach ehemalige Hörfunkleute genommen wurden. Entsprechend sahen deren Beiträge aus: Reporter, die sich dabei filmen ließen, wie sie herumstanden und ins Mikrofon quatschten. Wir beim SDR haben dagegen echte Storys gedreht. „Saison in Walhall – Beobachtungen bei den Bayreuther Festspielen“ hieß einer der ersten Beiträge oder „Die Borussen kommen – Beobachtungen im bezahlten Fußball“. Beim BVB, für den ich selbst einst gespielt habe, durfte ich sogar in der Umkleidekabine drehen.
Der SDR war seinerzeit der Schrittmacher des kritischen TV-Journalismus. Warum wirkt das Programm heute so bieder?
Das SWR-Regionalfernsehen ist tatsächlich nullachtfünfzehn. Das liegt an den Umständen, die im Sendehaus herrschen. Zu meiner Zeit gab es fast nur Festangestellte. Mittlerweile sind die Reporter in der Regel freie Mitarbeiter, die auf das Wohlwollen der leitenden Redakteure angewiesen sind. Wenn die Freien eine Themenidee haben, müssen sie zunächst ein Exposé abgeben, in dem möglichst schon stehen soll, wie der Beitrag beginnt. Das ist absurd, denn jeder Journalist weiß, dass sich vor Ort die Dinge oft anders entwickeln, als man vorher angenommen hat. Doch wer Kritik äußert, bekommt keine Aufträge mehr. Also wird gebuckelt. In einer solchen Atmosphäre kann keine Kreativität entstehen.