In Stuttgart gehe jeder seinen eigenen Weg. Vom neuen Oberbürgermeister wünscht sich der Unirektor Wolfram Ressel für seine zweite Amtszeit eine bessere Vernetzung zwischen Rathaus und Universität.

Stuttgart Die Bestätigung des Senats für eine zweite Amtszeit von Unirektor Wolfram Ressel ist überraschend knapp ausgefallen. In den nächsten sechs Jahren will der Universitätschef die Identität der Hochschule stärken und ihr Knowhow stärker mit Wirtschaft und Gesellschaft vernetzen. Ziel sei auch, den Hochschulstandort öffentlich sichtbarer zu machen.
Herr Ressel, Sie haben sich als Amtsinhaber im (intern besetzten) Senat nur knapp gegen eine FH-Professorin durchsetzen können. Haben Sie eine Erklärung?
Bei 17 Jastimmen, neun Neinstimmen und sechs Enthaltungen ist die Mehrheit deutlich erkennbar. Aber wir sind gerade an unserer Struktur- und Entwicklungsplanung. Es gab ein externes Gutachten, darüber gab es unterschiedliche Meinungen.

Worüber wurde gestritten?
Intern sollen einige Umwidmungen stattfinden, zum Beispiel in der Biologie.

Stichwort Umwidmungen: ist der Masterplan, der die Umwidmungen zahlreicher geisteswissenschaftlicher Professuren zum Ziel hatte, jetzt vom Tisch?
Der Masterplan ist seit über drei Jahren vom Tisch. Bei den Geisteswissenschaften wird es diesmal so gut wie gar keine Änderungen geben, nur vielleicht an den Randbereichen. Aber wir wollen dafür die Literaturwissenschaften ausbauen. Wir werden aber nicht – wie es damals angedacht war – zehn Prozent aller Professuren über die gesamte Universität für eine Umwidmung frei geben. Aber es wird eine Umwandlung der Biologie in eine Biotechnologie geben – da geht’s um die Umwidmung von sieben freien Professuren. Wir werden das Institut für Plasmaforschung schließen. Und wir werden uns noch mal über die Kunstgeschichte unterhalten müssen. Die Fakultätenstruktur bleibt aber, wie sie ist.

Sie streben verschärft einen Dialog zwischen Ingenieur-, Natur-, Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften an. Wie soll das geschehen?
Unser Zukunftskonzept zu einem „Kooperativen Forschungscampus“ ist beim Exzellenzwettbewerb zwar nicht weitergekommen, aber wir machen es dennoch – mit einer Anschubfinanzierung von der Uni und mit beantragten Projektmitteln des Bundes. Wir haben mit unseren außeruniversitären Partnern aus Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowie mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen mehrere Campi entwickelt. Vier solcher Projekte machen sich jetzt auf den Weg. Da geht es um Themen wie Leichtbau-Produktionstechnik (mit Bosch, Daimler, BASF), die Firmen arbeiten mit uns auf dem Campus zusammen. Auch die Technik- und Umweltsoziologie unter Ortwin Renn und weiteren Wissenschaftlern sowie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Fraunhofer-Gesellschaften sind beteiligt. Ein weiteres Projekt dreht sich um das Thema Energiespeicherung, Das brennt nicht nur der Wirtschaft auf den Nägeln, das wollen wir auch gesellschaftlich verankern. Ein drittes Projekt beschäftigt sich mit neuen Formen der Informationstechnologie. Partner sind IBM, Daimler, Trumpf. Das vierte Thema kommt aus den Geisteswissenschaften: e-Humanities. Hier arbeiten Informatiker, darunter auch der Visualisierungsspezialist Thomas Ertl, mit Literaturwissenschaftlern und Linguisten zusammen. Gemeinsam entwickeln sie einen Weg, wie Texte visualisiert und ihre Interpretation automatisiert werden können. Da ist als Partner auch das Literaturarchiv Marbach dabei.

Dabei werden bewusst die Fachgrenzen überschritten. Ist das die Lehre aus der Exzellenzinitiative?
Auch. Aber es ist auch dadurch möglich geworden, dass wir viele junge Köpfe berufen haben – gerade in den Geisteswissenschaften –, die bewusst nach Stuttgart gekommen sind, weil sie hier eine Anbindung haben. Das war früher nicht so. Das wird auch der Uni einen Sprung nach vorne bringen. Auch Verlage sind dran interessiert.

In Ihrer zweiten Amtszeit wollen Sie eine Identität aller Unimitglieder mit der Gesamtuni herstellen. Wie?
Das war für uns immer ein Problem gewesen, das machen andere besser als wir. Aber das wollen wir ändern. Wir wollen mehr öffentliche Veranstaltungen machen. Mit dem Thema Nachhaltigkeit haben wir damit begonnen. Es wird dazu auch eine Ringvorlesung und öffentliche Podiumsdiskussionen geben. Auch in der Lehre wollen wir mehr fächerübergreifende Angebote machen, um die Disziplinen zusammenzuführen. Das bringt auch Identität.

Sie wollen Stellen und Mittel künftig nach den Kriterien Belastung, Leistung, Strategie verteilen. Das verstärkt aber den Konkurrenzkampf der Disziplinen.
Nein. Wir wollen ja keine Mittel kürzen, sondern sie flexibilisieren. Das heißt, dass wir einen Teil der Mittel, die wir für Forschung und Lehre ausgeben, an die Brennpunkte geben. Darüber entscheiden die Dekane. Wegen des doppelten Abijahrgangs und der stark gestiegenen Studentenzahlen sind die Belastungen einzelner Kollegen sehr hoch – sie erhalten zusätzliche Unterstützung.