Die Skisprung-Legende Sven Hannawald spricht zum Auftakt der Vierschanzentournee über seine neuen Aufgaben und die heutige Generation der Springer.

Oberstdorf - An diesem Samstag (16.30 Uhr) beginnt in Oberstdorf die Vierschanzentournee. Mit am Start ist auch Sven Hannawald – allerdings als Kommentator für den Fernsehsender Eurosport. Das ist für den Mann, der die Tournee schon gewonnen hat, aber auch sehr aufregend. Lust mit zu springen hat er aber nicht mehr.

 
Herr Hannawald, sind Sie nervös vor Ihren Auftritten als Co-Kommentator im Fernsehen oder ist der Job schon Routine?
Nervös bin ich nicht. Ich kann den Wettkampf als ehemaliger Skispringer nachvollziehen. Es ist aber wichtig, dass man thematisch am Ball bleibt, auch über den Sommer hinweg. Aber wenn die Tournee losgeht, habe ich natürlich immer noch ein gewisses Kribbeln.
Die Vorfreude ist nach wie vor vorhanden?
Ja, ich freue mich immer auf die zehntägige Tournee-Reise. Ob als Springer wie früher oder als Moderator heute, das ist egal. Als Sportler muss man allerdings höhere Erwartungen erfüllen.
Was ist wichtiger: Olympia oder die Tournee?
Für mich war die Tournee der Startpunkt meiner Karriere. Schon als kleiner Junge fand ich sie cool. Bei Olympia gibt es Tagessieger, die vielleicht ein bisschen Glück mit den Bedingungen hatten. Bei der Tournee gibt es dagegen keine glücklichen Sieger, bestenfalls überraschende. Ein Tournee-Gewinner muss über den Zeitraum von zehn Tagen funktionieren – das ist der Unterschied. Die Tournee ist die anspruchsvollste und traditionsreichste Serie, die es gibt.
Vier Stationen – welche ist die schönste?
Alle vier Orte sind sehr interessant. Überall ist die Hütte voll. Jeder Austragungsort hat seinen Charakter. In Oberstdorf geht es los, das Springen in Garmisch an Neujahr hat Tradition, in Innsbruck ist die Stimmung der Wahnsinn – und am Ende geht es in Bischofshofen dann um die Wurst.
Ihre ehemaliger Kollege Noriaki Kasai ist mit Mitte vierzig noch dabei. Wie ist das möglich?
Das wüsste ich auch gerne. Ich hätte das auch so gemacht, aber ich musste mir eingestehen: Der Kopf will es, aber der Körper macht nicht mehr mit. Ich freue mich unheimlich für Noriaki, dass er noch so leicht und unbeschwert das ganze Theater um sich herum stattfinden lassen kann. Er hat ein bisschen den Faden verloren, aber seine Schanzen kommen noch. Am Anfang der Saison hat er oft Schwierigkeiten, aber gegen Ende des Winters fängt er sich dann. Fliegen kann er immer noch – aber er ist aktuell einen Meter tiefer als die anderen.
Richard Freitag geht dagegen als Weltcup-Führender und nach drei Siegen mit dem Pfund in die Tournee, der große Favorit zu sein. Schwierig?
Richard ist der einzige Springer, der in dieser Saison maximal Sechster war. Er hat eine Basis, die funktioniert, wenn er sie abruft. Natürlich kommen bei der Tournee noch andere Faktoren dazu, etwa das Drumherum, das von Station zu Station schlimmer wird. Aber das Paket, das Richard im Sommer geschnürt hat, ist sehr effektiv. Sogar mit Kleinigkeiten, die nicht passen, kann er vorne mitmischen. Das muss ihn beruhigen. Auch wenn der Pole Kamil Stoch zuletzt immer besser geworden ist – Richard ist zurzeit der stabilste von allen.
Wie erklären Sie seine Leistungsexplosion?
Richard hatte im vergangenen Jahr so seine Probleme. Wenn niemand von ihm etwas erwartet hatte, haute er oft einen Sprung raus. Jetzt hat Richard im Sommer viel gearbeitet. Angefangen von der Anfahrtsposition über den Absprung, die körperliche Fitness bis zum das Material – das ist aktuell das effektivste, das es gibt.
Und kommen die Österreicher zurück?
Mit denen muss man immer rechnen. Ich weiß nicht, was die im Müsli haben vor der Tournee – es war oft so, dass sie im Vorfeld schlecht waren und die Tournee dann am Ende gewonnen haben. Doch die Deutschen sind für mich schon die Topfavoriten. Richard reist schließlich mit dem Gelben Trikot an.