Wie? Dieses Bekenntnis zur Kanzlerin aus Ihrem Munde überrascht mich doch sehr.
Wo wären die Alternativen zu Merkel? Der grüne Kretschmann in Stuttgart? Oder der dicke rote Fleischfresser Gabriel, dieser äußerst unfreundliche Mensch? Nein, dann lieber Merkel. Mein Freund Gregor Gysi ist ja leider Rentner . . . Prinzipiell aber hege ich gegenüber der Politik ein großes Misstrauen. Ich war in der Sowjetzone, in diesem Sozialismus der Hütchenträger, dieser Demonstration der Kleinbürgerlichkeit, nie in einer Partei oder Parteigliederung. Das Entscheidende ist, dass man in einer Gesellschaft keine Angst haben darf. Dass die „Helden von Leipzig“ im Herbst 1989 erst auf die Straße gingen, als die Polen, Russen und Ungarn schon etwas verändert hatten: wie traurig!
Wie ist heute Ihre Sicht auf die DDR?
Damals ging im Osten zugrunde, was zugrunde gehen musste, ganz klar. Aber während des Untergangs ist bei mir eine gewisse Sympathie für die DDR entstanden, die ich zuvor nicht hatte. Zuvor habe ich mich mit Amerika identifiziert, mit der aus dem Westen kommenden Gegenkultur und mit „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ von Ton, Steine, Scherben, die wir als Punks gehört haben. Aber diese West-Orientierung habe ich aufgegeben. Hinter den allgemeinen Konsens, dass Putin der Potentat ist im Gegensatz zu den ausgewiesenen Demokraten in der Ukraine, würde ich zumindest ein Fragezeichen setzen.
Der Konsens ist nicht Ihr Ding.
Als Künstler muss ich Außenseiter sein. Die Kiste der Demokratie, in der wir jetzt leben, ist sehr viel geräumiger und komfortabler als die DDR-Kiste, aber letztlich hängt es doch von mir ab, was ich daraus mache. Wenn ich den Tod mittels Kunst überwinden will, kann ich das nur im Angriff auf gesellschaftliche Verhältnisse tun, die dem Einzelnen potenziell feindlich gegenüber stehen. Da wird man notwendigerweise zum Außenseiter.
Wie groß ist dabei die Einsamkeit?
Wenn man dem Mainstream widerspricht, kann man sehr einsam sein. Aber deshalb habe ich mich ja reichlich vermehrt, ich habe viele Kinder – und sie wohnen nicht alle in einem Haus, sondern sind in Deutschland und der Schweiz verteilt.
Wie viele Kinder haben Sie denn genau?
Im Augenblick sechs oder sieben, ich hab’s vergessen. Ich bin nicht oft bei ihnen, aber wenn, dann bin ich ein guter Vater. Ich liebe Kinder. Ich liebe auch Frauen, aber das machen ja viele . . .
Sehen Sie auch die Volksbühne, die Sie in Berlin leiten, als Außenseiter-Theater?
Natürlich. Wir definieren uns als Antipoden zu dem, was der Mainstream im Theater so liefert. Und wir versuchen, uns die Angst vor Stadtkämmerern und Kulturreferenten, vor der Presse und sonstigen Medien vom Leib zu halten. Wir müssen die Hand beißen, die uns das Brot gibt – das ist unsere Pflicht!
Was halten Sie vom Mainstream-Theater?
Es langweilt mich meistens. Inszenierungen von Freunden schaue ich mir schon an, aber sonst gucke ich lieber Filme oder gehe Austern essen mit meiner Freundin in Paris. Ich bin ein Salonbolschewist (lacht) . Aber es gibt in Deutschland schon noch Leute mit einem Theaterverständnis, das ich teile. Armin Petras gehört dazu. Sonst würde ich jetzt nicht hier arbeiten.
Und das leckere Fleisch?
Stimmt. Das spricht auch für Stuttgart.