Thomas Schneider ist der neue Assistent des Bundestrainers Joachim Löw. Wie der frühere VfB-Coach seine neue Aufgabe angeht, erklärt er im Interview mit der StZ.

Sport: Heiko Hinrichsen (hh)

Frankfurt - Es war 1997 nach dem Gewinn des DFB-Pokals mit einem 2:0-Finalsieg über Cottbus, als der VfB-Spieler Thomas Schneider seinem Trainer Joachim Löw auf dem Stuttgarter Rathausbalkon eine Glatze rasierte. „Der Jogi ist zu einem der besten Trainer der Welt gereift“, sagt Schneider inzwischen über seinen neuen Chef. Denn der 41-Jährige tritt anlässlich der EM-Qualifikationspartien in Polen und gegen Irland als Nachfolger von Hansi Flick seinen neuen Job als Assistenztrainer der Fußball-Nationalelf an.

 
Hallo Herr Schneider, als neuer Assistenztrainer von Joachim Löw besetzen Sie nun eine der begehrtesten Stellen im deutschen Fußball. Wie fühlt sich der neue Viersternejob als Novize unter Weltmeistern denn an?
Ich spüre eine absolute Vorfreude, dass es für mich mit zwei EM-Qualifikationspartien jetzt endlich los geht. Ich hatte Anfang September, am Montag nach dem Schottland-Spiel, meinen ersten Arbeitstag. Zunächst haben der Jogi und ich die Schwerpunkte und Zielsetzungen meiner Arbeit besprochen. Und ich habe mich der Belegschaft beim DFB in Frankfurt vorgestellt.
Wie sahen danach die ersten Wochen aus?
Neben vielen Spielbeobachtungen und diversen Workshops durfte ich in München die DFB-Scoutingabteilung und ihre Arbeitsweise kennenlernen. Und besonders wichtig war mir das Treffen mit meinem Vorgänger Hansi Flick. Er hat die Rolle des Co-Trainers sehr gut interpretiert – da kann ich schon ein paar Sachen mitnehmen.
Wie würden Sie ihre neue Aufgabe definieren?
Ich bin in erster Linie Trainer – und daher auf dem Platz zu Hause. Daher hat es mich gefreut, die Spieler alle persönlich kennenzulernen. Ich habe gewiss meine eigenen taktischen Vorstellungen, sehe meine Rolle aber vor allem darin, den Jogi bestmöglich zu unterstützen. Zunächst möchte ich die genauen Abläufe bei der Nationalmannschaft kennen lernen, muss peu à peu ins Team hineinwachsen. Das wird einige Zeit brauchen – aber die nehmen wir uns. Darüber hinaus will ich an der Schnittstelle zu den DFB-Juniorenteams tätig sein und werde auch engen Kontakt zum Sportdirektor Hansi Flick halten. Es wäre ja vermessen, als Neuling gleich zu Beginn etwas einzufordern.
Sie kennen Joachim Löw bestens aus Ihrer gemeinsamen Zeit beim VfB. Wie kam der jetzige Kontakt zustande?
Wir haben uns Anfang März im Zuge des Länderspiels in Stuttgart gegen Chile gesehen und gesprochen. Da war ich noch Cheftrainer beim VfB. Einige Tage später, als mein Engagement in der Bundesliga beendet war, wusste ich schon, dass er für die vakante Position des Co-Trainers meinen Namen im Hinterkopf hat. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich das eine oder andere Angebot aus der zweiten Liga vorliegen. Der entscheidende Anruf kam dann nach der Weltmeisterschaft. Danach haben wir uns mehrfach getroffen und unsere Vorstellungen abgeglichen. Denn für so einen Job reicht es nicht aus, dass man sich kennt.
Beim VfB waren Sie der Cheftrainer, jetzt sind Sie Assistent. Ist dies ein Rückschritt?
Für mich ist dieser Job ganz eindeutig ein Schritt nach vorne. Ich bin ein noch relativ junger Coach, der aber bereits über Bundesligaerfahrung verfügt. Jetzt kann ich von einem der besten Trainer der Welt lernen. Ich will aber niemanden kopieren, sondern möchte meinen eigenen Weg gehen und dabei authentisch bleiben. Auf diese Weise will ich mich weiter entwickeln, so wie ich auch zu Beginn meiner Karriere von vielen das ein oder andere mitgenommen habe. Etwa auch von großen Spielerpersönlichkeiten wie Krassimir Balakov oder Zvonimir Soldo.
Sie galten in Ihrer Zeit beim VfB für viele im Umgang mit den Spielern als zu ruhig und zuweilen zu verständnisvoll. Empfanden Sie Ihre Entlassung beim VfB am 9. März letztlich auch als eine persönliche Niederlage?
Ein Argument wird dadurch nicht besser, wenn man es in die Welt hinaus schreit. Es hat sicherlich ein bisschen gebraucht, um die Zeit beim VfB zu verarbeiten. Aber ich habe mich mit den Verantwortlichen in Stuttgart ausgetauscht, habe die Dinge analysiert und reflektiert – und dann nach vorne geschaut. Als ein Scheitern habe ich es nicht empfunden. Als Bundesligatrainer muss man damit rechnen, freigestellt zu werden, wenn es nicht läuft. Doch ich kann sagen, dass ich meinen Job beim VfB Stuttgart stets nach bestem Wissen und Gewissen gemacht habe.
Da es beim VfB weiterhin nicht läuft, könnten Sie sich rehabilitiert fühlen.
Dass im Anschluss an meine Arbeit in Stuttgart mit Huub Stevens und Armin Veh auch zwei ganz erfahrene Trainer und ausgewiesene Fachleute ihre liebe Mühe hatten oder haben, um in die Erfolgsspur zu kommen, zeigt, dass der VfB aktuell kein allzu leichtes Projekt ist.
Immerhin hatten Sie so genügend Freizeit, um den Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft mitzuerleben.
Das stimmt. Ich saß zu Hause in Straubing mit der Familie und ein paar Freunden im Deutschlandtrikot vor dem Fernseher – also als ein echter Fan. Es ist fantastisch, was die Mannschaft in Brasilien aber auch in den Jahren zuvor geleistet hat. Davor habe ich allergrößten Respekt. Nehmen wir etwa die monumentale Leistung von Bastian Schweinsteiger im WM-Finale. Das wird in Erinnerung bleiben – so wie das Tor von Helmut Rahn im Finale von 1954. Doch vor allem war der Titelgewinn eine großartige Teamleistung. Was sie erreicht haben, wird den Spielern wohl erst lange nach dem Ende ihrer Karrieren richtig bewusst werden.
Gilt das auch für Ihren Chef Joachim Löw?
Klar ist, dass er seit unserer gemeinsamen Zeit beim VfB eine unglaubliche Entwicklung durchlebt hat. Er gehört heute zu den absoluten Toptrainern in der Welt. Der Jogi hat sich in allen Bereichen verbessert: Er ist kommunikativ, arbeitet taktisch hervorragend und ist eine echte Persönlichkeit, die den Fußball akribisch analysiert.
Es hat beim DFB eine Reihe von Assistenten gegeben, die Ihren Chef als Bundestrainer beerbt haben. Etwa Helmut Schön, Jupp Derwall, aber auch Joachim Löw. Ist das eine besondere Motivation für Sie?
Nein – so denke ich überhaupt nicht. Ich will meine aktuelle Aufgabe bestmöglich machen. Nach der WM habe ich mir gedacht: So, jetzt machen wir es wie die Spanier und holen uns auch den EM-Pokal. Es muss schließlich der Anspruch des Weltmeisters sein, dass er beim nächsten großen Turnier auch ein Wort um die Titelvergabe mitspricht. Das sind die Gedanken, die mich leiten. Wir besitzen so viele Spieler mit enormer Qualität. Aber ganz wichtig ist mir der Teamgeist, der in Brasilien ja ein wichtiger Erfolgsfaktor war. Ein Spieler sollte seine individuelle Klasse auf den Platz bringen, ansonsten sollte er aber sein Ego zurückstellen.
Ein Hoffnungsträger für den VfB ebenso wie für die Nationalelf ist Antonio Rüdiger, der sowohl Innen- als auch rechter Verteidiger spielen kann. Zuletzt hat er in der Bundesliga häufiger gepatzt. Wie beurteilen Sie ihn?
Der Toni besitzt ein Wahnsinnspotential, denn er bringt eine große Wucht und viel Tempo mit. Jetzt muss er noch Konstanz in sein Spiel bekommen – denn sein Talent ist unbestritten. Das zeigt allein die Tatsache, dass bereits zu meiner VfB-Zeit einige englische Topclubs hinter ihm her waren. Ein schönes Beispiel ist in diesem Zusammenhang doch Jérôme Boateng, der sich am Anfang seiner Profilaufbahn auch den einen oder anderen Fehler geleistet hat. Inzwischen ist Boateng zu einem gestandener Weltklasseverteidiger gereift.