Thomas Wördehoffs Vertrag als Intendant der Ludwigsburger Schlossfestspiele wird nicht verlängert. Die Gründe findet er nebulös.

Der Aufsichtsrat der Schlossfestspiele hat vor drei Wochen beschlossen, den Vertrag des seit 2009 amtierenden Intendanten nicht zu verlängern. Das wurde jetzt publik.
Herr Wördehoff, Sie haben am Freitag von einem Journalisten, der Sie anrief, erfahren, dass Ihr Vertrag nicht verlängert wird. Gelinde gesagt, nicht die optimale Art, dass man so was mitbekommt . . .
Ich wusste tatsächlich nichts von dem Aufsichtsratsbeschluss. Ich bin dann raus auf die Straße und habe dort zufällig den Ludwigsburger Oberbürgermeister Werner Spec, der ja Aufsichtsratsvorsitzender ist, getroffen. Ich habe ihn darauf angesprochen, worauf er meinte, dass wir uns demnächst mal auf einen Kaffee verabreden sollten. Ich sagte ihm, dass ich das jetzt schon genau wissen müsse. Er bestätigte mir, dass ihn der Aufsichtsrat beauftragt habe, eine „Alternative“ zu suchen.

Nicht gerade stilvoll. Wie wurde Ihre Nichtverlängerung genau begründet?
Das hat mich dann nicht mehr interessiert. Es hieß nur, dass ich die geforderte Zahl der Besucher, nämlich mindestens 33 000 pro Saison, nicht erreicht habe.

In diesem Jahr hatten Sie 31 000. Haben Sie selbst eine Erklärung, warum man oder wer Sie nicht weiterarbeiten lässt?
Das ist alles sehr nebulös, es gibt bestimmt Leute im Hintergrund, die Fäden gezogen haben. Im Nachhinein habe ich das Gefühl, drei Jahre Schattenboxen betrieben zu haben. Was die gegen mein Programm haben, weiß ich nicht. Ich kann jedenfalls beim besten Willen nicht erkennen, dass es elitär, intellektuell oder esoterisch ist. Anspruchsvoll vielleicht, wenn man Becketts „Letztes Band“ und Musik von Bela Bartók dazu rechnet. Möglich, dass es mit der Trennung von Michael Hofstetter, dem Chefdirigenten zu tun hat. Aber das ist nie klar gesagt worden. Zwei Aufsichtsratsmitglieder sind zurück getreten, weil es mit Hofstetter nicht weiter geht, andere sagen, es sei gut, dass er geht.

Haben Sie denn den Eindruck, dass sich Ihre Gegner wenigstens eingehend mit den Festspielen befasst, die Aufführungen und Veranstaltungen selbst besucht haben?
Einige Aufsichtsratsmitglieder waren ein bis vier Mal pro Jahr da, einige nie. Die, die Hofstetter am meisten verteidigten, habe ich nie in seinen Konzerten gesehen.

Wie sollen die Festspiele in Ludwigsburg aussehen, die Politiker haben wollen?
Schwer zu sagen. Wahrscheinlich ein Sowohl-als-auch: eine Programmatik unter klaren ästhetischen Gesichtspunkten und gleichzeitig populäre Künstler, die die Repräsentationszwecke erfüllen.

Mit anderen Worten, Sie brachten zu wenig Anne-Sophie Mutter und Cecilia Bartoli?
Ich verstehe nicht, was ich falsch gemacht habe. Ich habe die Schlossfestspiele wieder überregional auf die Landkarte geholt, wie es gewollt war, und das geht nur mit einem eigenen Profil. In den vergangenen drei Jahren hat sich eine entsprechend klare Linie abgezeichnet. Dass das jetzt abgebrochen wird, ärgert und kränkt mich. Und was heißt hier prominente Künstler. Die Labeque-Schwestern sind doch keine Klimpertüten. Und Christine Schäfer und Isabelle Faust sind keine Nachwuchskräfte aus Gelsenkirchen. Mit beiden haben wir fürs kommende Jahr einen Duo-Abend Gesang/Violine entwickelt, der bereits nach Madrid und Salzburg verkauft ist, aber in Ludwigsburg herauskommt. Dafür bekommen wir öffentliche Mittel – und zwar nicht wenig. Man muss die Kulturpolitik fragen, was wollt ihr also: für welche Institutionen und für was soll dieses Geld eingesetzt werden?

Halten Sie diese mangelnde Ausdauer der Politiker, dass hier auf kulturellem Gebiet etwas Neues entwickelt wird, das nicht sofort Erfolg hat, für provinziell?
Ich bin mit dem Begriff vorsichtig. Provinzdenken finden Sie auch in Berlin und Paris. Ich sehe hier vielleicht eine gewisse Selbstgenügsamkeit, ausgehend von der eigenen Befindlichkeit: das war so, und soll so bleiben, egal was andere von außerhalb dazu sagen. Man ist hier stolz, ein Recht auf fehlende Bedürfnisse zu haben. Ich glaube, dass Zielgruppendenken, wie es Politiker gerne pflegen, in der Kunst wenig tauglich ist. Ich bin immer wieder gefragt worden: was ist mit unserem Stammpublikum? Siebzig Prozent unserer Besucher sind drei Jahre und mehr zu uns gekommen, das nenne ich Stammpublikum. Dass wir gleichzeitig 29 Prozent Erstbesucher haben, hat aber keinen interessiert.

Sie wirken entspannt auf mich, nicht wie jemand, der gerade eine herbe Ablehnung seiner Arbeit erfahren hat.
Natürlich ist das im allerersten Moment eine narzisstische Kränkung, aber jetzt geht es mir wunderbar, weil es auch eine Befreiung ist.

Befreiung von was?
Ich habe in letzter Zeit deutlich gespürt, dass da was im Hintergrund lauert. Das geht über Blicke, Gesten, Verweigerungen. Wenn man den OB am Telefon hat, mit dem man bisher gut auskam, um einen Termin zu verabreden, und er sagt, rufen Sie meine Sekretärin an, dann wundert man sich schon. Oder Chargen behandeln einen plötzlich von oben herab. Das kann einem die Stimmung verhageln. Das ist nun vorbei.

Erfüllen Sie Ihren Vertrag bis Ende 2014?
Ja, das bin ich dem Publikum schuldig. Ich habe jetzt noch zwei fette Jahre vor mir.