Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)
Nicht nur sein Werk, auch seine Arroganz ragt heraus.
(Er lacht.) Wir sagen hier manchmal: Er ist schon ein Schlimmer, unser Tommy. Ich bewundere die Disziplin, mit der Thomas Mann gearbeitet hat. Aber mit welcher Härte er das in seiner Familie durchgesetzt hat? Die durften nicht einmal laut reden, wenn er am Schreiben war.
Nicht wirklich sympathisch, oder?
Nein. Er war unnahbar und so sehr überzeugt von sich, wie es heutzutage nicht mehr schicklich ist.
Eigentlich liegen Welten zwischen dem schwäbischen Unternehmer Berthold Leibinger und dem Lüb‘schen Großbürger- und Kaufmannssohn Thomas Mann. Wo liegt die Wurzel Ihrer Faszination?
Ich bewundere seine phänomenale Fähigkeit mit dem Wort umzugehen und die ungeheure Beobachtungsgabe für die Gesellschaft. Im „Zauberberg“ beschreibt er kritisch, wie die Gesellschaft sich vor dem Weltkrieg und in der Sondersituation und Abgeschiedenheit von Davos entfaltet. Im „Tonio Kröger“ nimmt er die hanseatische Gesellschaft ins Visier. Und wie er in den „Buddenbrooks“ die törichte Heiratspolitik der Familie kritisiert und den Umgang des strengen Vaters mit dem armen Hanno – das wird nicht plump, sondern mit sehr viel Distanz und Stil vorgetragen.
Das klingt, als hätten Sie auch als Unternehmer etwas aus den „Buddenbrooks“ gelernt.
Vor allem lernt man da, wie man es nicht machen sollte.
Ist das Ihr Lieblingsbuch von Thomas Mann?
Ja, schon – obwohl auch „Tonio Kröger“ Anspruch auf diesen Titel hat. Und im „Felix Krull“ gibt es eine Szene, wo Professor Kuckuck dem Helden die Entstehung des Lebens und die Evolution auf der Erde erklärt. Das ist fantastisch formuliert. Als Mensch, der sich mit naturwissenschaftlichen Fragen beschäftigt, kann man nur den Hut davor ziehen, wie Thomas Mann das schildert.