Thomas Kuban heißt eigentlich anders. Jahrelang hat er verdeckt  in der Rechtsrockszene recherchiert,  nun muss er sich  vor Racheakten schützen. Ein Gespräch über rechtsfreie Räume,  tätowierte Skinheads  und den Zusammenhang zwischen geschmackloser Musik und schwerer Körperverletzung.

Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Stuttgart - Das Interview darf nur unter vier Augen an einem nichtöffentlichen Ort stattfinden. Für das Foto verkleidet er sich mit Perücke, Bart, Sonnenbrille und einem senffarbenen Sakko. 15 Jahre lang hat der Journalist Thomas Kuban verdeckt bei Neonazikonzerten recherchiert. Hieraus sind ein Dokumentarfilm und ein Buch entstanden.

 


Herr Kuban, Sie wollen unerkannt bleiben, aber im Internet kursiert ein Foto, das Ihr – ich zitiere – „linkes Kotzgesicht“ zeigt.
Das Bild zeigt nicht mich, sondern einen Lehrer, der wirklich Thomas Kuban heißt. Ich erwähne zwar bei jeder Gelegenheit, dass Thomas Kuban mein Pseudonym ist, aber das kapiert offenbar nicht jeder.

Liegen Ihre Gegner zumindest mit der Einschätzung richtig, dass Sie ein Linker sind?
Für jemand, der politisch ganz weit rechts steht, bin ich automatisch ein Linker. Ich selbst sehe mich als Ökologisch-Liberalen. Wenn es ums Familienbild geht, bin ich konservativer als die CDU heutzutage.

Warum haben Sie sich die rechtsextreme Szene als Erkundungsfeld ausgesucht?
Meine Undercover-Recherchen begannen vor anderthalb Jahrzehnten damit, dass mir ein Journalistenkollege von einer konspirativen Musikszene erzählte. Von Neonazis, die sich – von der Öffentlichkeit komplett abgeschirmt – zu Rechtsrockkonzerten treffen. Für mich wurde es eine berufliche Herausforderung, diese konspirativen Strukturen zu knacken. Vom Jahr 2003 an habe ich mit einer versteckten Kamera gefilmt, dadurch wurde die Arbeit besonders spannend.

Vor allem wurde Ihre Arbeit dadurch gefährlich. Warum setzt man freiwillig seine körperliche Unversehrtheit aufs Spiel?
Ich tue mich schwer, auf diese Frage eine schlüssige Antwort zu liefern. Ein Journalist lebt irgendwann in seiner Recherche. Man findet etwas heraus und merkt, dass man noch mehr herausfinden könnte. Der Ehrgeiz treibt einen dazu, ein immer größeres Risiko einzugehen. Wobei man dazu sagen muss, dass ich nicht blauäugig an die Sache rangegangen bin. Ich habe mich über Jahre hinweg an diese Szene herangetastet.

Haben Sie sich von Anfang an verkleidet?
Als ich gefilmt habe, sah ich wie ein Skinhead aus, weil ich in der Masse untergehen wollte. Ich habe mich auf jeden Konzertbesuch akribisch vorbereitet. Die technische Ausrüstung musste perfekt sein, aber auch meine Legende. Wenn ich in Gespräche verwickelt wurde, musste ich ja etwas über mich erzählen können, was mit der Realität nichts zu tun hat.

Wie geht es bei einem konspirativen Neonazikonzert zu?
Prinzipiell ist die Stimmung wie bei jedem Rockkonzert. Dazu kommt allerdings, dass die Besucher Straftaten begehen: Sie zeigen den Hitlergruß, schreien „Sieg Heil“, grölen volksverhetzende Lieder, besingen den Mord an Juden und Ausländern.

Und werden dafür nicht belangt?
Im hessischen Kirtorf habe ich erlebt, dass nach der Ausstrahlung meines Videomaterials in der Sendung „Kontraste“ die Staatsanwaltschaft ermittelt hat und Konzertorganisatoren sowie Mitglieder einer rechtsextremen Band verurteilt wurden. Aber das war ein Einzelfall, daneben ist mir nur noch ein weiterer Fall aus der Schweiz bekannt.

Warum wird nicht härter durchgegriffen?
Die Polizei redet sich häufig damit raus, dass sie die Verhältnismäßigkeit der Mittel wahren müsse. Oder es heißt, dass ein Neonazikonzert keine Außenwirkung entfalte. Dazu sage ich: Eine Innenwirkung hat so ein Konzert immer. Woche für Woche erleben Neonazis, dass sie sich unbehelligt in einem rechtsfreien Raum bewegen können. Das sorgt für ein ungeheures Selbstbewusstsein in der Szene, die spürt, wie schwer sich die Behörden mit ihr tun.