Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Ist es Teil des Geschäfts, medial so omnipräsent zu sein wie Sie? Manchmal hat man bei Ihnen ja das Gefühl wie bei Jörg Pilawa: welchen Sender man anschaltet – es ist der Graf zu sehen.
Ich habe gemerkt, dass das dazugehört. Wenn man heutzutage Musik macht, gehört auch dazu, dass man sein Gesicht oft im Fernsehen sieht. Ich muss auch ganz ehrlich sagen, dass wir das zehn Jahre lang versucht haben – und dann finde ich es natürlich super, wenn es jetzt klappt. An welchen Orten ich auftrete, macht für mich keinen Unterschied. Ob es jetzt Carmen Nebel ist oder Big Brother oder TV Total oder in welcher Show auch immer – für mich ist das eine gute Gelegenheit, den Menschen Musik zu präsentieren. Und das macht mir auch Spaß.

Umgekehrt gibt es viele Künstler, die sagen, dass sie ihre Kraft gerade daraus schöpfen, medial nicht so omnipräsent zu sein.
Das muss jeder für sich entscheiden. Ich habe mich dafür entschieden zu sagen: ich möchte das auch medial machen. Weil ich da auch hinwollte. Vor acht Jahren hat man zu uns gesagt: mit dem Namen Unheilig wirst du nie ins Radio oder ins TV kommen. Und deswegen finde ich es jetzt toll, wenn man den Fernseher anmacht und uns da ab und zu sieht. Ich glaube, wenn wir einen anderen Namen genommen hätten oder ich jetzt in einem grünen Anzug herumlaufen würde, könnte man mir in gewisser Weise Unglaubwürdigkeit vorwerfen. Aber ich mache ja heute nichts anderes wie vor zwölf Jahren. Die Musik hat sich nicht verändert, es war einfach ein langer Weg.

Treten Sie bei Shows wie Carmen Nebel auf, um sich neue Zielgruppen zu erschließen, oder ist Ihnen egal, wer die Zielgruppe ist?
Richtig, das ist mir egal. Ich gehe in jede Fernsehshow, in der ich auftreten darf, denn ich bin immer noch Musiker und kein Spielekandidat. Ich mache da keine Unterschiede. Aber ich würde nie zu einer politischen oder religiösen Veranstaltung gehen.

Zweifeln Sie hin und wieder an sich selbst, oder hat sich das erübrigt?
Nein. Ich zweifle immer. Es gibt keinen Tag, an dem ich mich nicht infrage stellen würde. Ich versuche immer, den optimalen Weg zu finden, und ich glaube, das kann man auch nur, wenn man immer wieder alles infrage stellt.

Was hat Sie musikalisch beeinflusst?
Ich bin ein Kind der Achtziger. Sisters of Mercy, Depeche Mode, The Cure, Duran Duran und wie sie alle hießen, habe ich gehört. Und dann ist das so gewachsen. Heutzutage finde ich Rammstein, Herbert Grönemeyer, Xavier Naidoo und Linkin Park super. Ich höre eigentlich alles außer Marschmusik. Ich glaube, meine Musik ist auch lediglich ein Spiegelbild von meinem eigenen Musikgeschmack.

Hat sich Ihr Verhältnis zur Kritik verändert?
Ich glaube, es hat sich nicht verändert. Ich kann damit ein bisschen besser umgehen. Ich habe gelernt, das etwas ruhiger zu nehmen. Aber ich nehme mir jede Kritik immer noch zu Herzen. Wenn man bekannter wird, gibt es eben auch mehr Menschen, die einen kennen und nicht so gut finden. Man muss lernen, damit umzugehen.

Was hat Sie am härtesten getroffen?
Da gibt es eigentlich nichts, was ich herausstellen könnte. Am Anfang gab es aus der Gothic-Szene sehr viel Spott und Kritik angesichts der Fernsehauftritte, was das denn jetzt soll und ob ich ein Verräter sei. Das war eine Sache, die ich in dieser Größenordnung nicht kannte. Aber Kritik dient ja auch immer dazu, sich selbst zu finden.

War es eine bewusste Entscheidung, in Stuttgart auf dem Wasen zu spielen?
Unheilig ist ja mittlerweile ein großes Familienevent geworden, da kommen Leute zwischen acht und achtzig. Das ist super, und da freue ich mich drüber. Wir haben ein bewusstes Konzept mit Kinderland und Rollibereichen, Gehbehindertenbereich und Familienbereich, da braucht man eine entsprechend große Lokalität. Es soll ja auch schön sein.

Muss ein Konzert denn unbedingt immer ein Event sein?
Ja. Definitiv. Es muss gute Unterhaltung für Groß und Klein sein, wo man hingeht und die ganzen Sachen, die man von morgens bis abends mit sich herumträgt, einfach mal vergessen kann.