Der Mediziner Raymond Best ist ein Kreuzbandspezialist – und kann daher Sami Khedira keine allzu große Hoffnung auf eine WM-Teilnahme machen.

Stuttgart – - Raymond Best hat Sami Khedira bei vielen Verletzungen begleitet. Der Mittelfeldspieler sei „ein extrem guter Geneser“, sagt der Mediziner – und kann Khedira trotzdem nicht allzu viel Hoffnung auf einen WM-Start machen.
Herr Best, wie groß ist Ihr Mitgefühl mit Ihrem früheren Patienten Sami Khedira?
Das muss ich nicht in Worte fassen. Ich kenne Sami seit vielen Jahren und war nach der Diagnose genau so schockiert und betroffen wie alle anderen auch.
Was bedeutet ein Kreuzbandriss für einen Fußballspieler?
In den Köpfen der Spieler und all jener, die mit dem Fußball zu tun haben, ist ein Kreuzbandriss die größte Verletzung, die es überhaupt gibt. Da kann kein Knochenbruch mithalten. Wer diese Diagnose bekommt, ist erstmal vor den Kopf gestoßen.
Ist ein Kreuzbandriss wirklich so schlimm?
Lange nicht mehr so schlimm wie früher, als teilweise das Karriereende drohte. Die Operationstechniken haben sich im Laufe der Zeit so verfeinert, dass man heute weitgehend problemlos ein stabiles, voll funktionsfähiges Kreuzband erreichen kann.
Wie lange dauert es normalerweise, bis man wieder Fußball spielen kann?
Minimum sechs Monate. Schneller geht es nicht. In vielen Fällen kommt auch noch ein siebter oder achter Monat hinzu.
Das erste WM-Spiel ist in weniger als sieben Monaten. Können Sie sich vorstellen, dass Sami Khedira bis dahin fit ist?
Ich will es so hoffnungsvoll und optimistisch formulieren, wie es der Bundestrainer Joachim Löw getan hat: Ganz ausgeschlossen ist es nicht.
Aber?
Realistisch betrachtet ist es ein sehr langer Weg. Das halbe Jahr, das man veranschlagt, bedeutet ja nicht, dass er bis dahin topfit ist und schon wieder wochenlang mit der Mannschaft trainiert hat. Sondern nur, dass er sich – im Idealfall – keine Gedanken mehr um sein Knie machen muss und erstmals wieder wettkampforientiert Fußball spielen kann. Dann fehlt ihm aber immer noch ein halbes Jahr Spielpraxis. Das muss man mit dazurechnen.
Der Nationalspieler Holger Badstuber vom FC Bayern fehlt wegen eines Kreuzbandrisses sogar schon seit fast einem Jahr.
Das ist nicht das, was Sami jetzt hören will – aber Badstuber ist ein Beispiel dafür, wie es auch laufen kann: Sein Kreuzband ist nach einem halben Jahr noch einmal gerissen. Diese Gefahr besteht immer dann, wenn man innerhalb von kurzer Zeit viel will. Egal, wen es trifft, ob den Hausmeister unten an der Pforte oder den Fußballprofi: die Natur fordert ihre Zeit. Wir können sie nicht beschleunigen, wir können die Erde sich nicht schneller drehen lassen – auch wenn sich Sami das sehr wünschen würde.
Wie haben Sie Sami Khedira beim Umgang mit Verletzungen erlebt?
Ich habe ihn durch viele Verletzungen mit durchgeführt und weiß: Sami ist ein extrem guter Geneser. Er ist immer sehr besonnen damit umgegangen und hat sich hoch professionell an die Reha gemacht. Diesbezüglich hat er die besten Voraussetzungen.
Sami Khedira war in seiner Karriere schon häufiger verletzt. Ist das nur Pech oder ist er besonders anfällig?
Reines Pech. Sami ist doch ein Bär von einem Mann. Jeglicher schwererer Verletzung ging bei ihm ein Gegnerkontakt voraus, auch jetzt in Italien. Dagegen können Sie nichts machen. Wenn Ihnen dreimal jemand ins Auto fährt, heißt das auch nicht, Sie sind ein schlechter Autofahrer. Sie haben einfach nur Pech gehabt.