Im Interview mit der StZ spricht der VfB-Präsident Gerd Mäuser über den neuen Sparkurs des Vereins - und über ein Mitspracherecht der Mitglieder.

Stuttgart - Seit 100 Tagen ist Gerd Mäuser nun Präsident des VfB Stuttgart. Diese Zeit hat der 53-Jährige genutzt, um sich ein Bild vom Innenleben des Bundesligisten zu machen. Ganz schnell hat er den Vorteil im Vergleich zu seinem Job als Porsche-Vorstand ausgemacht. "Ich bin froh, dass ich nicht mehr jeden Tag Anzug und Krawatte tragen muss." Auch am Mittwoch nicht, beim Pokalspiel am Mittwoch gegen den FSV Frankfurt.

 

Herr Mäuser, vor Ihrer Wahl zum VfB-Präsidenten wurden sie von Kritikern als Duckmäuser bezeichnet. 100 Tage später scheint Druckmäuser besser zu passen. Sie sollen ihre Mitarbeiter ganz schön auf Trab halten, was man so hört.

Wir sind im Moment dabei, in manchen Bereichen des Vereins die Drehzahl zu erhöhen. Ich glaube aber nicht, dass sich die Mitarbeiter dadurch einem großen Druck ausgesetzt fühlen.

Wo haben Sie den Hebel angesetzt?

Also, Hebel, das klingt auch gleich wieder so martialisch. Zunächst einmal habe ich mir einen Einblick verschafft, mit wem ich hier überhaupt zusammenarbeite. Ich habe viele Personalgespräche geführt, um einen Überblick zu bekommen, wie der VfB funktioniert, was ich für ein Team beisammen habe.

Was für ein Team ist das?

Ein gutes. Da bin ich positiv überrascht. Zunächst einmal hat es mich gefreut, wie herzlich ich hier aufgenommen wurde. Und dann hat es mich verblüfft, wie professionell beim VfB gearbeitet wird.

Hätten Sie das als langjähriges Mitglied des Aufsichtsrats nicht schon wissen können?

Das ist auch wieder so eine Legende. Als Aufsichtsrat ist man über die großen Eckpunkte im Bilde, aber man hat doch nicht das Detailwissen, das ein Vorstand braucht. Als Aufsichtsrat führst du doch keine Mitarbeitergespräche.

Sie haben aber sicher schon eine Rückmeldung vom Aufsichtsratschef Dieter Hundt bekommen, ob er mit Ihrer bisherigen Arbeit zufrieden ist.

Wir sehen uns natürlich alle regelmäßig bei den Heimspielen, und bis dato ist alles in Ordnung. Wenn Dieter Hundt ein Problem hätte, würde er sich sicherlich sofort melden.

Die Ruhe wird mit der recht erfolgreich verlaufenden VfB-Saison zu tun haben.

Natürlich erleichtert die sportliche Situation einiges. Ich glaube, dass derzeit aber auch abseits des Platzes gute Arbeit geleistet wird. Das sorgt ebenfalls für Stabilität.

Von Ruhe und Stabilität war bei der Mitgliederversammlung im Juli nichts zu spüren. Der VfB machte den Eindruck eines in sich gespaltenen Vereins. Müssen Sie auch Gräben zuschütten?

Ja, die Mitgliederversammlung, die war ungewöhnlich.

Eine wohlwollende Charakterisierung einer Veranstaltung mit tumultartigen Szenen.

Es stimmt, die Sitzung war nicht typisch für den VfB, Abstiegskampf gab es ja auch schon lange nicht mehr in Stuttgart. Die Situation zuvor war auch für die Fans und Mitglieder sehr belastend. Da kann es schon mal emotional werden und krachen. Das tut es aber auch in einer guten Familie. Gräben - falls es sie gibt - werden, wenn wir sportlich und auch sonst ordentlich arbeiten, wieder zugeschüttet.

An weitere Vorkehrungen ist nicht gedacht, damit eine Mitgliederversammlung nicht noch einmal so aus dem Ruder zu laufen droht?

Wir haben da nicht viel Spielraum. Eine Hauptversammlung ist eine basisdemokratische Angelegenheit. Alle Entscheidungsgewalt geht von den Mitgliedern aus, wie es so schön heißt. Und das ist auch gut so.

Es ist also nicht geplant, die Profiabteilung in Form einer Kapitalgesellschaft aus dem Verein herauszulösen?

Nein, das wird es mit mir nicht geben. Ich erkenne überhaupt nicht den Vorteil einer Kapitalgesellschaft.

Sie wären unabhängiger von den Launen der Mitglieder.

So sehe ich das nicht. Bei einer Kapitalgesellschaft bestimmt zwar der Präsident den Vorstandsvorsitzenden. Der Präsident jedoch wird immer noch von den Mitgliedern gewählt. Und die werden es den Chef des Gesamtvereins bei der Wahl spüren lassen, wenn sie mit dem Vorstandsvorsitzenden der ausgegliederten Profiabteilung nicht zufrieden sind. So verlagert sich das nur und macht die Sache komplizierter.

Es gibt keinen Spieler, der unverkäuflich ist

Auf einer Versammlung, bei der von 45.000 Mitgliedern - wenn's hoch kommt - 2500 anwesend sind, ist doch dem Zufall Tür und Tor geöffnet. Wäre es denn nicht sinnvoll, den Mitgliedern auch ohne körperliche Anwesenheit ein Stimmrecht zu geben?

Das ist ein guter Punkt. Ich kenne die These, dass nur die Unzufriedenen zur Versammlung kommen. Das stimmt zwar nicht, sonst wären die Wahlen zuletzt ja auch anders ausgefallen. Aber natürlich ergeben gerade einmal fünf Prozent der Mitglieder kein umfassendes Gesamtbild.

Der Wunsch der Mitglieder nach Mitbestimmung und Transparenz ist ja vor und auf der Versammlung sehr laut geworden. Wie gehen Sie mit dieser Forderung um?

Wir sind dabei, ein zentrales Online-Forum für unsere Mitglieder zu erstellen. Da sollen im nächsten Jahr auch Entscheidungen getroffen werden. Ein Beispiel: viele Fans treibt es um, dass im Vereinswappen das Gründungsjahr 1893 durch das Wort Stuttgart ersetzt wurde. Darüber könnte dann im Online-Forum abgestimmt werden. Die Mehrheit entscheidet, und gut ist.

Gut ist ja auch der fünfte Tabellenplatz. Dennoch ist die Mannschaft von Ihrer Zielvorgabe - jung und offensiv - noch ein Stück entfernt. Das Team ist nicht gerade taufrisch und agiert eher defensiv.

Unser Trainer kann nur die Spieler einsetzen, die er hat.

Acht Talente haben doch gerade erst einen Profivertrag erhalten.

Dazu fällt mir ein Zitat von Bruno Labbadia ein: "Der Trainer ist doch nicht blöd." Er weiß ganz genau, was von ihm erwartet wird und steht voll hinter unserem Ziel, sukzessiv Talente in den Profikader einzubauen. Bruno Labbadia stellt doch seine Mannschaft nicht so auf, weil er ein Fan von älteren Spielern ist, sondern weil sie im Moment noch besser sind als unsere Spieler aus der U19 und U23. Wobei älter relativ ist. Wir sprechen hier von 26- bis 27-Jährigen.

Bei Bernd Leno sieht man gerade, dass es durchaus lohnenswert ist, wenn ein junger Spieler früh sein Chance bekommt.

Stimmt, wir haben Bernd Leno mit dem Ausleihgeschäft die Chance gegeben, sich bei Bayer Leverkusen in den Vordergrund zu spielen. Und die hat er toll genutzt.

Es hätte aber auch seinen Reiz, wenn ein junger VfB-Spieler beim VfB mal wieder seine Chance bekommen würde.

Bruno Labbadia macht einen hervorragenden Job. Wenn er und Fredi Bobic zu mir sagen, dass die Jungen noch nicht so weit sind, dann vertraue ich ihnen. Die Jungen werden Schritt für Schritt herangeführt. Außerdem hat der Trainer am letzten Samstag Christoph Hemlein ja schon zu seinem Bundesligadebüt verholfen.

Was haben die beiden über Leno gesagt?

Dass ihm der Schritt zuzutrauen ist. Den Platz im Tor hat sich aber Sven Ulreich erkämpft, der in dieser Saison auch wieder ganz hervorragend hält.

Deshalb verkauft der VfB Bernd Leno nun nach Leverkusen.

Wir haben kein Angebot für ihn vorliegen. Was soll ich dazu also sagen?

Sie könnten zum Beispiel sagen, dass Bernd Leno unverkäuflich ist.

Es gibt in diesem Geschäft wohl keinen Spieler, der unverkäuflich ist. Bernd Leno kenne ich schon lange, er kommt aus unserer Nachbarschaft und hat mit meinen Söhnen zusammen gekickt. Aber eines kann ich sagen: die Leverkusener müssen uns für Bernd ein Angebot machen, das uns schwindelig wird. Wenn nicht, dann kommt Leno in der Winterpause zurück. Dann muss er zeigen, ob er auch so gut ist, Sven Ulreich zu verdrängen.

Der Verein macht sich nicht zum Sklaven der Spieler

Sie müssen Leno also nicht aus der finanziellen Not heraus verkaufen?

Nein.

Der Manager hat aber gerade erst davon gesprochen, dass finanzielle Löcher gestopft werden sollen.

Im Sommer ist der VfB mit den Verpflichtungen von William Kvist und Maza erstmals in Vorleistung gegangen und hat Geld ausgegeben, bevor es eingenommen wurde. Aber dann brach plötzlich der Transfermarkt dramatisch zusammen, und wir konnten unsere geplanten Transfers nicht mehr realisieren.

Sie haben doch Christian Träsch für viel Geld an den VfL Wolfsburg verkauft.

Wir hatten bei den Einnahmen aber deutlich mehr eingeplant.

Träsch musste verkauft werden?

Richtig.

Es bestand ein finanzieller Druck?

Ja.

Weil der VfB nach der Meisterschaft über seine Verhältnisse gelebt hat?

Wir sind in die Champions-League-Falle getappt. 2007 holen wir den Titel, sind für die Champions League qualifiziert. Dann kommt der Jungprofi XY und sagt, dass er jetzt Nationalspieler ist und mehr als 1,9 Millionen Euro verdienen möchte. Er will 4,3 im nächsten Jahr, 5,4 im übernächsten und 6,3 Millionen Euro im überübernächsten. Dieses Zahlen sind nicht erfunden.

Gibt es diesen Vertrag beim VfB?

Nein, aber alles wurde damals eben auch nicht abgeschlagen, und wir haben auch neue Spieler geholt. Der VfB hat jetzt nur eine Saison Champions League gespielt, aber enorm gestiegene Personalkosten.

Sollte sich der VfB irgendwann einmal wieder für die Champions League qualifizieren, können sich die Spieler allein schon den Gedanken an mehr Geld sparen?

So kategorisch kann man das nicht sagen. Wir werden die Gehälter aber bestimmt nicht mehr so anpassen wir früher, sondern moderater. Es kann nicht sein, dass sich der Verein zum Sklaven der Spieler macht. Der VfB ist größer als jeder seiner Profis. Ich habe die Verantwortung dafür übernommen, dass es dem Verein auch nach meiner Zeit gutgeht. Und das schließt utopische Gehälter aus. Das können Vereine im Süden zahlen, wir nicht.

Die Bayern haben eben gut gewirtschaftet.

Dass die einen guten Job machen, ist doch keine Frage. Aber eines darf man natürlich nicht vergessen: die Bayern haben 1972 zu den Olympischen Spielen ein 80.000-Zuschauer-Stadion zur Verfügung gestellt bekommen, der damalige Rivale Mönchengladbach nicht, der musste mit 30.000 Besuchern auf dem Bökelberg und entsprechend weniger Einnahmen auskommen. Diesen Wettbewerbsvorteil haben die Bayern geschickt genutzt, indem jedes Jahr auch noch von der Konkurrenz der beste Spieler weggekauft wurde.

Dem VfB haben die Bayern zuletzt Mario Gomez weggekauft.

Es hat mir zwar nicht gefallen, aber Mario Gomez konnten wir nicht halten.

Manager Mäuser

AutoGerd Mäuser wurde am 16. März 1958 in Berlin geboren. Nach einer Ausbildung zum Kfz-Mechaniker studierte er BWL. Danach war Mäuser zuerst bei BMW und dann bei Porsche in verschiedenen Führungspositionen tätig. Nachdem er bei Porsche als Marketingvorstand ausgeschieden ist, arbeitete er zuletzt als Berater für Jaguar.

Fußball Seit dem 17. Juli ist Gerd Mäuser hauptamtlicher Präsident des VfB Stuttgart. Er erhielt auf der Mitgliederversammlung 58,7 Prozent der Stimmen. Mäuser war der einzige Kandidat des Aufsichtsrats, woran sich viele Mitglieder gestört hatten. Mäuser selbst gehörte zuvor neun Jahre dem VfB-Aufsichtsrat an.

Familie Gerd Mäuser wohnt mit seiner Lebensgefährtin und den drei Kindern in Bietigheim-Bissingen.