Sie wollen denjenigen Ihrer Kollegen, die wegen des Euro-Rettungsschirms Bauchgrimmen haben, Gewissensfreiheit zubilligen?

 

Eine Fraktion hat immer nur politisches Gewicht, wenn sie möglichst geschlossen abstimmt. Wenn jemand glaubt, in einem Punkt nicht mitziehen zu können, hat er das Recht dazu. Das ist nicht ungewöhnlich. Es kommt immer wieder mal vor. Allerdings möchte ich schon darauf hinweisen, dass es bei den Antworten auf die Euro-Schuldenkrise eine große Bedeutung haben, die weit über den Tag hinausgehen. Da tragen wir alle enorme Verantwortung. Wenn jemand das trotz allem nicht mittragen kann, muss ich das akzeptieren. Schweren Herzens.

Viele sagen, die Eurokrise offenbare die Ohnmacht der Politik. Was denken Sie?

Die Finanzmärkte sind eine Realität, die wir nicht ignorieren können. Wir können die dort stattfindenden Spekulationen in gewissem Rahmen regulieren. Aber letztlich kommt es darauf an, dass die Staaten ihr eigenes Immunsystem stärken und ihre Schulden in den Griff bekommen. Damit werden sie die Krankheit Schuldenkrise überwinden.

Also läuft alles bestens?

Wir sind auf einem guten Weg. Allerdings ist die Außendarstellung immer noch verbesserungsbedürftig. Aber, wie gesagt, wenn ich mir die Ergebnisse anschaue, die können sich sehen lassen: Dem Land geht's gut, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Löhne steigen. Alle anderen Europäer beneiden uns. Eine aktuelle Umfrage besagt, dass die Deutschen ein glückliches Volk sind.

Warum ist das Ansehen der Koalition dann dermaßen schlecht?

Wir haben erhebliche Diskussionen in den Koalitionsfraktionen - was bei dieser schwierigen Lage ja auch kein Wunder ist. Ich würde mir allerdings wünschen, dass die Regierung geschlossener auftritt.

War das besser, als die Kanzlerin es noch mit Herren wie Peer Steinbrück zu tun hatte?

Man sollte Herrn Steinbrück nicht überschätzen. Auch in der Finanzkrise hat die Bundeskanzlerin die Politik bestimmt, aber sicher mit Herrn Steinbrück gut zusammengearbeitet. Heute haben wir ein starkes Team mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Spitze, dem Finanzminister Wolfgang Schäuble, den beiden Fraktionsvorsitzenden sowie der CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Das ist das Kraftzentrum dieser Koalition.

Die FDP musste sich in den vergangenen Monaten aus fünf Landesparlamenten verabschieden. Sie ist in Kursdebatten und Personalquerelen verstrickt. Inwiefern beiträchtigt das die Arbeit der Koalition?

Rainer Brüderle ist ein erfahrener Mann. Er führt die FDP-Fraktion ausgezeichnet. Er ist mir ein guter Freund. Ich kann mich auf ihn verlassen. Dies nützt der Koalition.

Die Eurokrise verunsichert viele. Wie groß sind die Irritationen in der CDU?

Die Partei bildet die Fragen ab, die es auch in der Bevölkerung gibt. Die Euro-Schuldenkrise ist ein ganz kompliziertes Problem. Die Ursachen liegen in anderen Ländern. Wir können die Antworten nur auf EU-Ebene finden. Das macht die Dimension der Herausforderungen aus. In der Notwendigkeit einer einheitlichen Lösung auf EU-Ebene liegt auch ein Unterschied zur Finanz- und Wirtschaftkrise. Damals konnten wir auch national reagieren: von Konjunkturprogrammen bis zum Kurzarbeitergeld. Das konnte man den Bürgern besser vermitteln.

Der Bundestag soll bei Notmaßnahmen des Rettungsschirms in jedem Fall mitreden dürfen. Sind damit die Bedenken der Euroskeptiker in Ihren Reihen ausgeräumt?

Die Debatte in der Fraktion geht in eine gute Richtung. Es wird dennoch einige Kollegen geben, die bei ihrem Nein bleiben.

Finanzminister Schäuble meint, eigentlich sei bei der Abstimmung über den Rettungsschirm gar keine schwarz-gelbe Mehrheit erforderlich, da SPD und Grüne ja auch zustimmen. Sehen Sie das auch so?

Wir bekommen eine Mehrheit. Und das schaffen wir auch mit den Stimmen unserer eigenen Koalition. Aber es ist wichtig, dass diese bedeutende Entscheidung von einer breiten Mehrheit des Parlaments unterstützt wird.

Wäre es wegen der historischen Bedeutung des Themas nicht angemessen, die Kanzlermehrheit zu erreichen?

Das Grundgesetz hat genau festgelegt, wann die Kanzlermehrheit notwendig ist - in ganz wenigen Fällen. Dort, wo es notwendig ist, bringen wir diese Mehrheit. Ich sehe keinen Sinn darin, darüber jetzt in diesem Fall zu diskutieren. Die Koalition ist handlungsfähig, wenn die jeweils erforderliche Mehrheit steht. Punkt.

"Finanzmärkte sind eine Realität, die wir nicht ignorieren können"

Sie wollen denjenigen Ihrer Kollegen, die wegen des Euro-Rettungsschirms Bauchgrimmen haben, Gewissensfreiheit zubilligen?

Eine Fraktion hat immer nur politisches Gewicht, wenn sie möglichst geschlossen abstimmt. Wenn jemand glaubt, in einem Punkt nicht mitziehen zu können, hat er das Recht dazu. Das ist nicht ungewöhnlich. Es kommt immer wieder mal vor. Allerdings möchte ich schon darauf hinweisen, dass es bei den Antworten auf die Euro-Schuldenkrise eine große Bedeutung haben, die weit über den Tag hinausgehen. Da tragen wir alle enorme Verantwortung. Wenn jemand das trotz allem nicht mittragen kann, muss ich das akzeptieren. Schweren Herzens.

Viele sagen, die Eurokrise offenbare die Ohnmacht der Politik. Was denken Sie?

Die Finanzmärkte sind eine Realität, die wir nicht ignorieren können. Wir können die dort stattfindenden Spekulationen in gewissem Rahmen regulieren. Aber letztlich kommt es darauf an, dass die Staaten ihr eigenes Immunsystem stärken und ihre Schulden in den Griff bekommen. Damit werden sie die Krankheit Schuldenkrise überwinden.

Die Politik sichert ihr Primat, indem sie ihre Hausaufgaben erledigt?

Nehmen wir das Beispiel Griechenland. Es wäre ein großer Fehler gewesen, wenn wir signalisiert hätten: Ihr bekommt von uns Geld ohne Gegenleistung. Macht einen Schuldenschnitt und ihr bekommt die Hälfte eurer Schulden gestrichen, dann könnt ihr weitermachen wie bisher. Das wäre ja fatal. Deshalb war es gut, dass Angela Merkel auf harten Sparmaßnahmen bestanden hat. Das ist die entscheidende Botschaft: Niemand bekommt Geld ohne eigene Anstrengungen.

Sollte Griechenland aus der Eurozone ausgeschlossen werden, falls es die Sanierungsauflagen nicht erfüllt, wie das die CSU fordert?

Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage, und ich sehe nicht, dass sie in Europa in absehbarer Zeit geschaffen werden kann. Wir sollten die Menschen nicht auf eine falsche Fährte führen.

Italiens Kreditwürdigkeit wurde herabgestuft, weil die Regierung als nicht verlässlich gilt. Was bedeutet das für die Bewältigung der Eurokrise?

Die Frage wäre noch präziser gestellt, wenn sie lauten würde: Was muss Italien daraus lernen?

Wie lautet dann Ihre Antwort?

Wenn ein mittelständischer Betrieb, der gut läuft, einen unzuverlässigen Geschäftsführer hat, beginnt die Hausbank auch langsam an der Kreditwürdigkeit des Unternehmens zu zweifeln. Das erleben wir gerade im Fall Italien.

Ihre Partei diskutiert über den künftigen Kurs in der Europapolitik. Heißt das Ziel "Vereinigte Staaten von Europa"?

Überschriften allein überzeugen wenig. Bleiben wir bei den Fakten: Der Euro ist die einzige Währung der Welt, die nicht auf einem einheitlichen Wirtschaftssystem beruht. Das wurde lange ignoriert, die Krise hat dieses Problem offengelegt. Wir müssen jetzt gemeinsame Haushalts- und Stabilitätsregeln festlegen, diese umsetzen und vor allem auch kontrollieren. Es muss wirksame Sanktionen geben. Wenn Länder auf Hilfe angewiesen sind, müssen sie auch in gewissem Maß Souveränitätsrechte abtreten. Ich bin zuversichtlich, dass solche Veränderungen unter dem Druck der Schuldenkrise möglich werden. Würden wir die Schulden vergemeinschaften, wie das SPD und Grüne das wollen, gäbe keinen entsprechenden Druck.

Als die Krise begann, wurde eine weitreichende Regulierung der Finanzmärkte gefordert. Davon wurde vieles nicht umgesetzt. Wo sehen Sie Nachholbedarf?

Mir wäre ganz wichtig, dass wir eine Finanztransaktionssteuer bekommen. Natürlich wäre es gut, wenn sie weltweit eingeführt würde. Das wird aber nicht zu machen sein, auch wegen des Widerstands der USA. Unser Koalitionspartner hält eine Finanztransaktionssteuer nur in den Euroländern nicht für akzeptabel. Das sollte nicht das letzte Wort sein. Darüber müssen wir noch einmal in aller Ruhe reden. Es muss da etwas geschehen. Die Bürger erwarten das von uns. Zurecht.