Der neue Film von Volker Schlöndorff erzählt von der Macht der Worte. Davon, wie 1944 Hitlers Befehl an die Wehrmacht zur größtmöglichen Zerstörung von Paris nicht ausgeführt wurde.

Stuttgart - Der Diplomat Raoul Nordling ringt eine Nacht lang mit dem deutschen General Dietrich von Choltitz um das Schicksal von Paris. Das klingt wie ein sehr bedrückender Stoff. Der 75-jährige Regisseur Volker Schlöndorff aber bekennt, er habe bei den Dreharbeiten zu „Diplomatie“ diebischen Spaß gehabt.

 
Herr Schlöndorff, dass im Krieg als Kollateralschaden oder auch ganz vorsätzlich Kulturschätze vernichtet werden, erfahren wir fast täglich aus den Nachrichten. Lieferte Ihnen das den Antrieb, sich mit der abgewendeten Zerstörung von Paris im Zweiten Weltkrieg zu beschäftigen?
Volker Schlöndorff. Foto: dpa
Die Verbindung zum aktuellen Geschehen ist mir wichtig. Aber der unmittelbarere Anlass war bei mir die Auseinandersetzung mit Frankreich. Ich habe ja meine Jugend dort verbracht und komme immer wieder darauf zurück, wie sich die deutsch-französischen Beziehungen entwickelt haben und was darauf alles Einfluss nahm.
Der französische Regisseur René Clément hat den Stoff 1966 ja schon einmal zu einem damals viel beachteten Film verarbeitet, „Brennt Paris?“ Haben Sie sich an diesem Werk gerieben?
Dieses wirklich großartige Epos von Clément habe ich nicht nur gesehen. Ich war damals als Regieassistent von Jean-Pierre Melville sogar ein paar mal bei den Dreharbeiten dabei, als sie die Champs-Élysées abgesperrt haben. Aus dem Aufwand ist ja auch ein wunderbarer Film geworden, den man nicht nachmachen kann. Also habe ich „Diplomatie“ als Charakterstudie angelegt, als Film über das, was Worte bewirken können. Ich denke da auch an die diplomatischen Kämpfe, die Angela Merkel derzeit austragen muss.
Das Kammerspielhafte Ihres Films ist also der Gegenentwurf zu dem, was wir unter Kriegsfilm verstehen?
Auch, aber die Vorlage ist ja bereits ein Theaterstück. Ich habe beim Lesen sofort erkannt: das ist eine Fiktion, kein Versuch, eine historische Stunde dokumentarspielhaft nachzustellen. Diese Nacht hat es so nie gegeben, in dieser Form sind diese Gespräche nie geführt worden. Aber eben das erlaubt es, sehr viel an historischer Wahrheit in einem sehr kurzen Zeitraum zu bündeln. Die beiden historischen Personen sind wahrscheinlich ganz anders gewesen. Den Film daran messen zu wollen, ist so, als ob man ein Drama von Schiller oder Shakespeare auf seinen Faktengehalt abklopfen würde. Das geht gar nicht. Das hier ist Fiktion und soll es bleiben und zeigt das auch mit Theaterelementen bis hin zur Tapetentür. Es soll kein Dokudrama sein, kein Rommel-Film.
Sie haben den deutschen General mit einem französischen Schauspieler besetzt. Sticheln Sie da gegen die internationale Erwartung, Deutsche vor allem als Nazis auf der Leinwand zu sehen?
Ich hatte mehrere deutsche Schauspieler zur Auswahl, die das gewiss gut gemacht hätten. Aber ich kenne keinen Schauspieler, der mir solche Angst einjagen kann wie Niels Arestrup, den ich in „Ein Prophet“ gesehen habe. Also habe ich mir anfangs gedacht, ich könnte vielleicht gegen dieses Besetzungsklischee angehen. Dann habe ich mich mit Arestrup unterhalten und noch etwas anderes gemerkt: dass der bereit war, viel weiter zu gehen als irgendein deutscher Schauspieler, im Positiven wie im Negativen. Ein Deutscher würde immer mit einem inneren Vorbehalt an die Rolle herangehen: „Ach, jetzt spiele ich schon wieder einen Nazigeneral!“ Arestrup dagegen macht es ein diebisches Vergnügen, einen deutschen General zu spielen, und genau dieses diebische Vergnügen habe auch ich empfunden.
Wie stark ist denn diese Vorliebe in der Welt noch, die Deutschen vor allem als Nazis sehen zu wollen?
Zeitweise war die gar nicht mehr so stark. Aber wir sind da leider wieder zurückgefallen, weil das deutsche Kino nicht genug originelle Filme anzubieten hat. Und bei internationalen Produktionen interessieren eben nur Nazis und Stasi. Auch ich bekomme in der Regel nur solche Angebote.