Die Italien-Wahl mache die Grenzen des Krisenmanagements der Zentralbank deutlich, sagt Volker Wieland. Er zieht Freitag in den Sachverständigenrat ein.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)
Frankfurt Volker Wieland zieht heute in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage ein, der die Bundesregierung berät. Der Volkswirt löst Wolfgang Franz ab, der nach zehn Jahren aus dem Gremium ausscheidet. Wieland ist Professor für Geldpolitik an der Universität Frankfurt.
Herr Wieland, Sie haben das Krisenmanagement der Europäischen Zentralbank wiederholt kritisiert. Sehen Sie sich nach der Italien-Wahl in Ihrer Meinung bestätigt?
Die Marktreaktion nach der Wahl zeigt, dass die Ankündigung von Anleihekäufen durch die EZB an Wirkung verliert. Die Zinsen auf italienische Staatsanleihen sind wieder gestiegen, denn Bedingung für eine Unterstützung der EZB wäre, dass die neue italienische Regierung sich Sparauflagen der Europartner unterwirft und eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet. Nun ist zu befürchten, dass dies entweder gar nicht oder nur dann passieren wird, wenn die Bedingungen einer solchen Vereinbarung sehr lax wären. Die EZB kann dann zwar erklären, dass ihr das nicht reicht – aber das wäre ein harter Kampf. Deshalb hat sich die Zentralbank mit ihrer Ankündigung keinen Gefallen getan.

Besteht die Gefahr, dass die EZB doch ohne Vorbedingungen am Markt interveniert?
Wenn sie ohne Vorbedingungen unbegrenzt Staatsanleihen kauft, kann sie das Versprechen der Preisstabilität nicht mehr lange halten. Das kann sich die EZB eigentlich nicht leisten. Besser wäre deshalb gewesen, sie hätte von vornherein auf die Aussage verzichtet, alles für den Euro zu tun. Letztlich muss jeder Staat selbst dafür sorgen, dass seine Schulden tragfähig sind.

Die Notenbanken in den USA und Japan kaufen andauernd Staatsanleihen . . . 
Die Fed kauft Bundesanleihen und interveniert nicht am Markt, um Kalifornien oder anderen Bundesstaaten in Schwierigkeiten zu helfen. Japan ist sowieso ein zentralistischer Einheitsstaat. Staatsanleihekäufe können durchaus gerechtfertigt sein, um Deflationsgefahren zu bekämpfen. Was ich aber kritisiere, ist der gezielte Kauf von Schuldtiteln, um die Finanzierungskosten ausgewählter Mitgliedsländer zu senken.

Wie groß ist die Gefahr eines Abwertungswettlaufs durch die lockere Geldpolitik?
Das halte ich für eine Scheindebatte. In Japan hat die Regierung tatsächlich auf extreme Weise Druck ausgeübt auf die Notenbank. Aber die EZB ist nicht so leicht angreifbar. Um sie auf die Beeinflussung von Wechselkursen auszurichten, bedürfte es einer Änderung der EU-Verträge. Da reicht es nicht, dass der französische Präsident François Hollande den Eurokurs kritisiert. Das hat es ja auch unter seinem Vorgänger Nicolas Sarkozy schon gegeben, der damalige EZB-Chef Jean-Claude Trichet hat sich dagegengestellt, und ich sehe keine Anzeichen, dass der neue EZB-Präsident Mario Draghi anders reagieren wird.

Nun soll die EZB auch noch die europäische Bankenaufsicht übernehmen. Droht ein Interessenkonflikt mit der Geldpolitik?
Es kann sich ein Konflikt ergeben, wenn die EZB sowohl über die Abwicklung von Banken entscheidet als auch über deren Versorgung mit Liquidität, also Zentralbankkrediten. Die EZB wird möglicherweise nicht so mutig sein mit Abwicklungsentscheidungen, wie sie sich das im Moment vorstellt. Sie könnte der Versuchung erliegen, diese unangenehme Entscheidung hinauszuzögern, indem sie den Banken weiterhin sehr günstige Liquidität gegen geringere Sicherheiten liefert. Die Geldhäuser würden dann keinen Druck verspüren, ihre Bilanzen in Ordnung zu bringen – vielleicht würden sie das billige Geld sogar in riskante Papiere investieren. Die Etablierung einer unabhängigen Bankenaufsicht hätte aber eine Änderung des EU-Vertrags erfordert, da wollen die Regierungen derzeit nicht ran. Ich wäre dafür, dieses Thema für 2015 auf Wiedervorlage zu legen. Wenn bis dahin eine Aufsicht innerhalb der EZB hochgezogen wird, wäre es umso einfacher, sie auszulagern.

Der Sachverständigenrat in seiner bisherigen Zusammensetzung hat zur Lösung der Krise einen Schuldentilgungsfonds empfohlen. Unterstützen Sie diesen Vorschlag?
Ich bin da eher skeptisch. Zwar erkenne ich gern an, dass der Rat mit dieser zeitlich begrenzten Gemeinschaftshaftung EZB-Anleihekäufe ausschließen möchte. Nur: die EZB könnte auch intervenieren, wenn es einen Schuldentilgungsfonds gäbe – das ist ihr überlassen.
Außerdem bezweifle ich, dass die zeitliche Begrenzung und die Sicherheiten, die der Sachverständigenrat als Bedingung für einen Schuldentilgungsfonds verlangt, in europäischen Verhandlungen durchsetzbar sind. Ein Beispiel: die Eurostaaten sollen sich verpflichten, die Einnahmen aus bestimmten Steuern für die Rückzahlung der Schulden in Gemeinschaftshaftung zu reservieren, und ihre Schulden insgesamt zu reduzieren. Ich glaube nicht, dass man einen souveränen Staat so einfach einschränken kann, wenn die Option der Gemeinschaftshaftung einmal eröffnet ist. Es gibt bei vielen Völkern den Wunsch, auf nationaler Ebene darüber zu entscheiden, wie ein Land gestaltet wird. Die Italiener hätten sonst ja auch sagen können: Unter Interimsministerpräsident Mario Monti sind die Zinsen gesunken, wählen wir den. Genau das ist aber nicht passiert.