Ministerpräsident Kretschmann traut Verteidigungsminister de Maizière, spricht sich aber für den Erhalt der Bundeswehr-Standorte aus. Ein Interview.
Berlin - Winfried Kretschmann ist der erste Grüne, der als Regierungschef über Bundeswehrstandorte verhandeln muss. Seine Partei hat ein traditionell kritisches Verhältnis zum Militär. Das hindert den Ministerpräsidenten nicht daran, sich mit Verve für die Standorte im Südwesten einzusetzen.
Herr Kretschmann, war es für Sie immer klar, dass Sie sich für den Erhalt der Kasernen im Land einsetzen, oder war es eine Option, die Soldaten abziehen zu lassen?
Überhaupt nicht, auf so eine Idee wäre ich nie gekommen. Es ist doch so: die Wehrpflicht ist abgeschafft, die Armee wird verkleinert, und das führt zu Strukturwandel - auch zu Standortschließungen. Ich kenne Thomas de Maizière aus der ersten Föderalismuskommission.
Er ist ein klar strukturierter Mensch, der diese Reform nach funktionalen Gesichtspunkten macht. Das ist sein Job. Allerdings hat das strukturell und wirtschaftspolitisch eminente Folgen für die Länder. Allein in Baden-Württemberg investiert die Bundeswehr 500 Millionen Euro im Jahr.
Deshalb ist es Ihr Job, die Standorte zu Ihrem Anliegen zu machen?
Deshalb kämpfe ich um meine Standorte. Das ist sonnenklar. Ich habe den laufenden Kontakt mit dem Verteidigungsminister, ich habe mit Generälen im Land gesprochen, ich pflege einen regen Austausch mit den Standortbürgermeistern, und ich war natürlich auch bei den Amerikanern, weil sie Truppenteile von Heidelberg und Mannheim nach Wiesbaden verlegen. Die Schließung einer Kaserne kann Standorte in strukturschwachen Gegenden hart treffen. Da geht es um sehr viel, und deshalb engagiere ich mich sehr.
Fällt Ihnen das auch deshalb leichter, als es manchen Parteifreunden fallen würde, weil Sie selbst Wehrdienst geleistet haben?
Das mag sein. Ich bin von Haus aus kein Pazifist und war neben der Kollegin Uschi Eid der einzige, etwas prominentere Grüne, der nicht für die Abschaffung der Wehrpflicht war. Ich habe kein Problem damit, um die Standorte zu kämpfen - zumal ich nicht für die militärische, sondern für die strukturpolitische Seite des Themas zuständig bin. Das berührt sich aber, weil die Akzeptanz der Bundeswehr an einem Standort für die Nachwuchsgewinnung wichtig ist. Wenn die Truppe gut verankert ist, gewinnt sie gute Leute.
Sie haben Ende der sechziger Jahre Wehrdienst geleistet. Mit welchen Erfahrungen?
An meine Grundausbildung habe ich nur extrem schlechte Erinnerungen. Das war eine üble Schleiferei; heute kann man sich kaum vorstellen, dass es so etwas in Nachkriegsdeutschland überhaupt gegeben hat. Danach wurde es besser, und heute weiß ich, dass man sich von so etwas auch nicht ewig beeindrucken lässt.
Wo waren Sie denn stationiert?
Die Grundausbildung hab ich in Ingolstadt gemacht. Danach war ich bei einem Flugabwehrbataillon in Sigmaringen, das zur Zehnten Panzerdivision gehört hat.
Wie fruchtbar waren die Standortgespräche mit de Maizière bisher?
Bei ihm kommt man nicht weit, wenn man nur pauschal gegen Schließungen ist. Man braucht Argumente. Ich will das am Beispiel von Immendingen erläutern: Dort will Daimler-Benz auf einem Bundeswehrgelände eine Teststrecke bauen. Ob es Nachfolgeprojekte gibt, wenn ein Standort schließt, wird intensiv erörtert. Allgemeines Rumjammern ist dagegen keine Position, aus der heraus ich etwas bewirken kann.
"Ich kämpfe für meine Standorte"
Hat de Maizière Ihnen Hoffnung gemacht, dass er Regionalinteressen berücksichtigt?
Er nimmt sie jedenfalls ernst, wenn man nicht nur Allgemeinplätze vorträgt. Wenn zum Beispiel ein Standort viel technisches Personal benötigt, muss man de Maizière sagen können, ob es einschlägige Fachhochschulen in der Gegend gibt und woher er seine Techniker bekommt.
Anscheinend will Bosch die Grundlagenforschung in Renningen ausbauen. Dann müssten die KSK-Soldaten ihr Übungsgelände räumen. Das könnte den Abzug der KSK bedeuten. Unterstützen Sie das?
Dazu kann ich nichts sagen. Nur so viel: ob es Ersatzprojekte gibt, wenn eine Bundeswehreinrichtung geschlossen wird, spielt natürlich immer eine Rolle.
Militärkreisen sind das Kommando zur Operativen Führung von Eingreifkräften in Ulm, das Kommando der Zehnten Panzerdivision in Sigmaringen und das Kommando Spezialkräfte in Calw sehr wichtig.
Mich treibt nicht in erster Linie die Frage um, ob ein Zwei- oder Einsternekommando im Land bleibt. Trotzdem habe ich zu Militärfragen eine Meinung. Wir sollten versuchen, in zehn Jahren eine gemeinsame europäische Armee zu haben und nicht mehr 27 Einzelstreitkräfte.
Ich seh schon: die Aussage, die Sie kurz nach Amtsantritt zur Autoindustrie gemacht haben, übertragen Sie nicht aufs Militär. Demnach müsste ja weniger Soldaten im Land besser sein als mehr Soldaten?
(Er lacht.) Ich glaube zwar, dass der Vergleich hinkt. Aber global stimmt es sicher.
Fürchten Sie, dass Ihre Kollegen Seehofer und Bouffier schon wegen ihrer Parteibücher bessere Karten haben?
Das glaube ich nicht, dazu ist de Maizière zu sachorientiert. Im Übrigen haben wir Ministerpräsidenten einhellig gefordert, dass der Bund uns keine Mondpreise macht, wenn es um die Konversion von Grundstücken geht. Da ziehen wir an einem Strang.