Sie glauben an ein grenzenloses Europa?
Wir tun immer so, als ob das etwas Neues wäre. Der Nationalstaat ist die Erfindung der Neuzeit. Eine große europäische Modernisierungsbewegung des Mittelalters waren die Zisterzienser, die in kürzester Zeit Hunderte neuer Klöster in ganz Europa gegründet haben. Dann kam der Nationalstaat, der uns auch die Demokratie brachte. Und jetzt im modernen Europa geht es darum, dass wir zu so etwas wie den Vereinigten Staaten von Europa werden.

Die Kanzlerin ist sehr populär, weil sie eine Schuldenvergemeinschaftung abwehrt. Und Sie glauben, mit einer Abgabe von noch mehr Souveränitätsrechten punkten zu können?
Da bin ich mir ganz sicher. Wenn ich mit den Leuten diskutiere und ihnen klarmache, dass unsere Prosperität heute schon von Europa abhängt, verlaufen die Diskussionen sofort anders. Ich erinnere an die Schweiz, die ihren Franken an den Euro angekoppelt hat, da sie sonst riesige Probleme mit ihrer Exportwirtschaft bekommen hätte. Und die wilde Debatte über das Steuerabkommen zeigt doch, dass es eine europäische Lösung braucht. Frankreichs Mali-Einsatz schreit nach einer europäischen Armee. Auch wenn das noch Zukunftsmusik ist: Es muss in diese Richtung gehen.

Und die Kanzlerin geht Ihnen zu langsam?
Die Bundeskanzlerin ist eine gute Handwerkerin der Krise. Aber wenn wir nicht sagen, warum es wohin gehen soll, dann bekommen wir Europamüdigkeit oder noch Schlimmeres. Wir brauchen eine Vision: Welches Europa streben wir an? Wo geht die Gesellschaft hin? Wo geht die Wirtschaft hin? Für mich ist das nachhaltiges Wirtschaften ohne die Lebensgrundlagen zu zerstören – und da sind wir in Europa weiter als überall sonst auf der Welt.

Von der Vision in die Mühen der Ebene: Sie kämpfen für eine andere Agrarreform.
Wir begrüßen den Vorschlag der EU-Kommission für eine Ökologisierung der Landwirtschaft. Und wir sind sehr verärgert darüber, dass die Bundesregierung in Brüssel nicht im Sinn eines gemeinsamen Beschlusses mit den Bundesländern verhandelt. Uns ist auch die sogenannte zweite Säule der EU-Agrarpolitik, dass nämlich Geld in die ländlichen Räume fließt, unglaublich wichtig. Da geht es um den Erhalt der Landschaft, der Artenvielfalt, um die Voraussetzungen für eine gute, regionale Küche. Wenn das nun wegfallen oder auch nur deutlich gekürzt würde, könnten wir das als Landesregierung nicht ersetzen.