Aufs Internet haben die Grünen schon gesetzt, als sie gegen die neue Landesmesse zu Felde zogen. So etwas brauche man in der modernen Ökonomie nicht mehr, das Internet ersetze große Messen. Würden Sie heute auf die Fildermesse verzichten wollen?
Wir haben nicht gesagt, wir brauchen keine Messen mehr, sondern gefragt, ob es nicht genügt, die alte Messe auf dem Killesberg auszubauen. Die neue Messe ist ein Erfolg, aber auch da frage ich kritisch zurück: Weshalb baut die Industrie die Messen nicht selbst? Wieso muss das der Staat übernehmen?

Ein beachtlicher Teil der Mehrkosten für Stuttgart 21 resultiert aus der langen Planungszeit. Zügiger planen, lautet die Folgerung. Andererseits verlangen die Bürger, intensiver eingebunden zu werden. Wie lässt sich dieser Zielkonflikt auflösen?
Nun, besser planen wäre sicher auch sehr hilfreich. Aber zu Ihrer Frage: wo ist da der Widerspruch? Sicher, zu Beginn dauert die Planungsphase durch Bürgerbeteiligung etwas länger. Aber nach dem Beschluss geht’s dann voran. Wir brauchen eine andere Haltung gegenüber den Bürgern. Die Schweiz entwickelt Projekte in der Bürgergesellschaft, bei uns werden sie über die Köpfe der Bürger hinweg, im Zweifel gegen die Bürgergesellschaft gemacht. Letzteres funktioniert nicht mehr. Das funktioniert nicht. Dass das inzwischen alle Beteiligten eingesehen haben, ist der Kollateralnutzen des Bahnhofkonflikts.

Plebiszite von Anfang an?
Gegebenenfalls immer. Entscheidend ist aber die Haltung: Es gibt immer Alternativen. Bei Stuttgart 21 wurden wir immer hingestellt als Dagegen-Partei – und hatten Mühe zu sagen, wir wollen etwas anderes. Zwischen Alternativen zu entscheiden, macht den Kern der Demokratie aus.

Wie kommen wir dahin: in Alternativen denken und nicht in Ja und Nein?
Durch rationale Diskurse.

Geht es ein bisschen konkreter?
Der Filderdialog ist ein – wenn auch spätes – Beispiel dafür, wie man die Leute beteiligt. Auch der geplante Nationalpark im Nordschwarzwald. Wir müssen die Sacheinwände der Bürger ernst nehmen. Bisher läuft es nach dem Muster: Der Bürger macht eine Eingabe und bekommt einen Bescheid.

Ihr Ziel lautet, die Bürger möglichst früh in die Projektplanung einzubeziehen?
Ja.

Und anschließend steigen die Kosten, weil die Planung im frühen Stadium notwendig rudimentär ist. Da beißt sich die Katze doch in den Schwanz.
Deshalb plant man einen Risikopuffer ein. Wenn freilich der Risikopuffer – wie bei Stuttgart 21 – immer schon aufgebraucht ist, bevor überhaupt angefangen wird, dann darf man tatsächlich die Seriosität dieser Ansagen in Zweifel ziehen. Dass Kostensteigerungen entstehen, ist – im Rahmen – nachvollziehbar und zu akzeptieren. Aber regelmäßige Kostenexplosionen, das kann nicht sein. Warum höre ich von den Befürwortern nicht einen einzigen nachdenklichen Satz, wie es zu dieser eklatanten Verteuerung kam? Wir müssen aufhören, Projekte zu Beginn notorisch niedrig zu kalkulieren, damit sie durchkommen. Das dicke Ende kommt dann später, wenn man nicht mehr zurück kann. Das zerstört Vertrauen und ruiniert Haushalte. Verantwortung trägt allerdings auch die Zivilgesellschaft. Wenn Fragen technischer Natur quasi religiös aufgeladen werden und Fanatismus einzieht, trägt das zum Gelingen nicht bei.

Teilen Sie die These von Kanzlerin Angela Merkel, dass die internationale Reputation deutscher Ingenieurskunst unter den Pannen beim Berliner Großflughafen, bei der Elbphilharmonie und Stuttgart 21 leidet?
Ich teile diese Sorge. Wir blamieren uns doch als Ingenieursnation mit solchen Desastern wie BER. Und auch die Sache mit Stuttgart 21 war von außen schwer zu verstehen. Sogar der Papst hat sich ja bei mir danach erkundigt.