Ein solider Haushalt ist das Ziel aller Parteien. Aber wie ist dieser zu erreichen? Der Wirtschaftsweise Lars Feld schildert seine Ansichten.

Stuttgart - Personalabbau ist der Schlüssel zum Konsolidierungserfolg. Der Wirtschaftsweise Lars P. Feld nimmt auch die Bildungspolitik davon nicht aus.

 

Herr Feld, die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Korrekt?

Das kommt darauf an. Wenn sich ein Land nur im Inland verschuldet, wird den Privaten genauso viel Liquidität entzogen, wie wenn sich der Staat das Geld über höhere Steuern holt. Nur dass Steuern Zwangsabgaben sind, Anleihen zeichnet man freiwillig. Es gibt zudem Verteilungseffekte, weil Steuern gleichmäßiger über die Bevölkerung verteilt sind; Geld verleihen können dagegen nur diejenigen, die genug davon haben. Wegen der Zinsen gibt es eine gewisse Lastenverschiebung auf spätere Generationen.

Das klingt nicht besorgniserregend...

Wer sich mit der Verschuldungsproblematik befasst, hat zu kämpfen mit denjenigen, die sagen: Verschuldung ist ja nicht so schlimm. Deren Argument habe ich gerade skizziert. Andererseits muss man sich gegen die wehren, die sagen, Verschuldung ist des Teufels, der Schuldenberg müsse auf null zurückgeführt werden. Das ist genauso ein Unsinn. Entscheidend ist der Vergleich zwischen Zinskosten und Wachstumseffekten. Wenn der Zins über den Wachstumsraten liegt, müssen wir konsolidieren, weil wir sonst Schwierigkeiten bei der Refinanzierung bekommen. Wenn aber das Wachstum über dem Zins liegt, dann finanziert sich die Staatsverschuldung mittel- und langfristig über das Wirtschaftswachstum.

Wo stehen wir heute?

Seit den 70er Jahren hat es nur vereinzelt Jahre gegeben, in denen das Wachstum knapp über dem Zinsniveau lag. Sonst war es umgekehrt. Also kommen wir an der Konsolidierung nicht vorbei.

Und wie bekommen wir die hin? Der Steuerzahlerbund sagt, es gebe kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem.

So einfach ist es nicht. Schauen Sie die Steuervergünstigungen an. Die wirken zwar auf der Einnahmenseite; man kann sie aber auch als Ausgaben verstehen. Denn wir haben eine übermäßige Nachfrage nach differenzieller Zuwendung des Staates. Die wird durch das politische System auch bedient. Bei den Steuervergünstigungen wäre einiges zu holen.

Also beim ermäßigten Mehrwertsteuersatz oder der Entfernungspauschale?

Zum Beispiel. Bei den Subventionen hat es Kürzungen gegeben, auch bei den Sozialausgaben. Bei den Steuervergünstigungen ist aber vieles liegengeblieben.

Schauen wir auf die Ausgaben, was kann das Land da tun?

Wir können und müssen hier viel machen. Auf Bundesebene betrifft das die Arbeitsmarktpolitik. Wir müssen uns auch etwas fürs Gesundheitswesen überlegen - etwa eine höhere Selbstbeteiligung. Auf Länderebene muss man aber klar sagen, dass Konsolidierung nur übers Personal geht. Die Länder müssen ihr Personal der demografischen Entwicklung anpassen. Wir brauchen weniger Staatsbedienstete. Wenn man sich Länder anschaut, die erfolgreich waren - zum Beispiel Sachsen -, dann ist die Konsolidierung dort gelungen, weil man früh angefangen hat, im Personalbereich zu sparen.

Aber nicht im Bildungssystem...

Ich halte die Diskussion, die wir im Bildungsbereich haben, für ziemlich fatal: dass stark auf kleinere Klassengrößen abgehoben wird; dass man weitere Lehrer einstellt, die dann langfristig fiskalische Belastungen bringen, anstatt hier die demografische Prämie zu kassieren. Nehmen wir nochmals Sachsen, das bei Pisa sehr gut abschneidet: In kaum einem Land müssen die Grundschüler bis zur Schule so weite Wege zurücklegen wie dort. Bei den Eltern in anderen Ländern gibt es ein enormes Anspruchsdenken. Dagegen werden sich die Finanzminister irgendwann wehren müssen. Es ist nicht einzusehen, dass wir Grund- und Hauptschulen sowie Gymnasien in der Dichte beibehalten, wie wir sie derzeit haben.

"Konsolidierung ist wichtig für die Bevölkerung"

Landesregierungen haben Angst, Wählerstimmen zu verlieren, wenn sie den Bildungsbereich antasten.

Aber die hessische Landesregierung von Roland Koch ist doch seinerzeit nicht dafür abgestraft worden, dass sie vom neunjährigen auf den achtjährigen Gymnasialzug umgestellt hat, sondern dafür, wie sie das gemacht hat.

Auch in Baden-Württemberg wird ein angekündigter Abbau von Lehrerstellen verschoben. Wie groß muss der Druck noch werden?

Das wird man vor einer Landtagswahl nicht anpacken. Danach muss es aber irgendwann kommen. Wir werden das auch an den Hochschulen merken, auch wenn jetzt ein doppelter Abitursjahrgang vor der Tür steht. Die Folgen der demografischen Entwicklung werden am Ende auch nicht vor den Universitäten haltmachen.

Wird die Schuldenbremse wirken?

Da bin ich befangen. Ich bin immer ein Befürworter der Schuldenbremse gewesen und habe als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats beim Finanzministerium daran beratend mitgewirkt. Natürlich wird man keine Regel finden, die wasserdicht ist. Letztlich ist der Erfolg der Schuldenbremse davon abhängig, wie sehr die Bevölkerung hinter dem Ziel der Konsolidierung steht. Wenn die Bevölkerung nicht dahintersteht, wird die Politik die Schlupflöcher sehr schnell ausmachen und sie nutzen. Wenn die Leute aber hinter dem Ziel stehen, dann wird sich die Politik zurückhalten müssen.

Wo steht die Bevölkerung im Moment?

Ich habe den Eindruck, dass die Konsolidierung für die Bevölkerung wichtig ist.

Wie sollen die Länder das schaffen? Baden-Württemberg steht ja noch gut da, aber Nordrhein-Westfalen oder Berlin...

Ich habe mir gerade erst Nordrhein-Westfalen und das Saarland auf Konsolidierungsspielräume hin angesehen. Da wäre einiges möglich. Aber die politische Kraft zur Konsolidierung fehlt. In Berlin hat Thilo Sarrazin eine vernünftige Politik gemacht; nach seinem Weggang zur Bundesbank ist der Konsolidierungswille aber erlahmt. Ein Blick auf die Jamaikakoalition im Saarland zeigt, dass die Koalitionäre zunächst bedient werden wollen - auch mit Stellen. Das ist aber eine Frage des politischen Willens und nicht der Einsparmöglichkeiten. Dasselbe gilt für NRW, man möchte nicht sparen.

Der Neue im Rat der Weisen

Lars P. Feld Der 44-jährige gebürtige Saarbrücker Lars P. Feld ist seit September 2010 Präsident des Walter-Eucken-Instituts in Freiburg und Professor für Volkswirtschaftslehre an der dortigen Universität. Zuvor lehrte er Finanzwissenschaft an der Uni Heidelberg.

Wirtschaftsweiser Seit 1. März gehört Feld zum Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, ist also einer der Fünf Weisen. In dem Gremium beerbte er den Regensburger Ökonomen Wolfgang Wiegard.