Am Dienstag liest Wolfgang Niedecken im Stuttgarter Theaterhaus aus seiner Autobiografie. Er freut sich, wenn man ihn "unbeirrbar" nennt.

Stuttgart - Wolfgang Niedecken lässt nicht locker: Gerade erst hat der Kölner Sänger mit seiner Band BAP das sehr inspirierte Album "Halv su wild" vorgelegt. Kurz vorher schenkte er sich selbst zum sechzigsten Geburtstag seine Autobiografie "Für 'ne Moment". Am Dienstag liest Niedecken daraus im Stuttgarter Theaterhaus und spielt BAP-Songs allein zur Gitarre.

 

Herr Niedecken, andere Künstler vollziehen hin und wieder einen Imagewechsel. Sie hingegen sind Ihrem Image jahrzehntelang treu geblieben. Wie hat sich das ergeben?

Mit Imageberatern, Marktforschern oder ähnlichen Strategen hatte ich nie was am Hut. Ich fand es bisher eher seltsam, dass mir diese Geradlinigkeit nie attestiert worden ist. Jetzt, zum Sechzigsten wird mir das endlich bescheinigt: Im "Stern" war die Rede vom "Unbeirrbaren". Da dachte ich mir: "Aha, der Groschen ist gefallen."

In Ihrer Autobiografie schreiben Sie, dass viele BAP-Platten nicht so klangen, wie Sie wollten, sondern wie der langjährige BAP-Gitarrist Klaus "Major" Heuser wollte.

Ich finde, es gehört sich in so 'ner Autobiografie nicht zu schreiben: "Es war alles super!" Denn sonst ist man schnell bei so 'nem Höher-Größer-Schneller-Weiter-Buch. Sechzig ist für einen Rock 'n' Roller ein biblisches Alter. Und wenn so ein Geburtstag naht, dann macht man es entweder wie AC/DC und sagt: "Um Gottes willen! Rede bloß nicht über das Alter, damit wir auch für die Klassenfahrt der nächsten Generation noch attraktiv sind. Oder du sagst: "Wo ist denn das Problem? Bob Dylan zum Beispiel, der diesen Monat siebzig wird, ist jetzt endlich so alt, wie er immer schon sein wollte." Wenn du ein ehrliches Buch machen willst, dann musst du schon auch bekennen, wo du vielleicht was abgeliefert hast, was doch ein Kompromiss war, obwohl du als derjenige dastehst, der nie Kompromisse gemacht hat.

Ihr ehemaliger Bandkollege Klaus "Major" Heuser, der Komponist vieler BAP-Songs, kommt in Ihrem Buch sehr schlecht weg.

Nein, nicht sehr schlecht. Ich habe darauf geachtet, dass ich ihm mit Respekt begegne.

Sie schreiben, er habe den Rest der Band mit seinen "nicht enden wollenden" Gitarrensoli regelmäßig "zu Statisten degradiert".

Das war auch so. Und es war zeitweise sehr schwer, als Band Musik zu machen. Da gab es viel zu viel Tauziehen. Andererseits: Ohne den Major wäre mit BAP nach dem zweiten Album schon Schluss gewesen.

Und jetzt sind Sie selbst BAP?

Nein. Seit der Major ausgestiegen ist, arbeiten wir richtig als Band. Jetzt bin ich der Sänger und Texter von BAP. Und - okay - ich habe das letzte Wort. Das habe ich mir vorbehalten. Ich habe ja lange nicht glauben wollen, dass Kunst mit Demokratie nichts zu tun hat. Aber ich habe es lernen müssen. Wer braucht denn eine Band BAP, die nach Coldplay kling? Also, ich nicht.

Am Dienstag lesen Sie im Theaterhaus; im Sommer spielen Sie mit BAP auf dem Stuttgarter Killesberg. Weshalb sind Sie nach wie vor so viel auf Achse?

Weil es am meisten Spaß macht zu sehen, wie das, was man sich ausgedacht hat, vor Publikum wächst. Und das ist so, obwohl ich mich erst in dritter Linie als Musiker sehe: Meine ersten beiden Berufe sind Geschichtenerzähler und Maler. Aber Musiker? Ich weiß nicht. Es ist selten, dass von dem, was ich im Studio auf der Gitarre spiele, auf der Platte irgendwas übrig bleibt.

Termin Wolfgang Niedeckens Lesung am 10. Mai im Theaterhaus beginnt um 20.15 Uhr.