Markus Wallner, Landeshauptmann von Vorarlberg, will die wirtschaftlichen Grenzen zu Baden-Württemberg weiter abbauen. Er ist überzeugt, dass die Zusammenarbeit in der Bodenseeregion als Vorbild für die ganze EU wichtig ist.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Natürlich müsse in Zeiten der Terrorbedrohung für die Sicherheit der Bürger gesorgt werden. Dennoch will Landeshauptmann Wallner in den Bereichen, wo es möglich ist, die Beschränkungen abbauen. Der Grund liegt für ihn auf der Hand. „Wir sind das exportstärkste Bundesland in ganz Österreich und verdienen jeden zweiten Euro außerhalb unserer Region.“

 
Herr Landeshauptmann Wallner, Sie werben für den Abbau der Grenzen in der Bodenseeregion. Der Trend in der EU geht im Moment aber eher in Richtung Abschottung der Nationalstaaten. Wieso sollten Sie Erfolg haben?
Der europäische Gedanke hat es im Moment wirklich sehr schwer. Aber ich bin überzeugt, dass in dieser Situation gerade die Bodenseeregion ein Schrittmacher der Integration Europas sein kann. Das meine ich in politischen wie auch in wirtschaftlichen Dingen. Anders formuliert: wenn es Vorarlberg und Baden-Württemberg nicht schaffen, zusammenzuarbeiten und die Grenzen zu überschreiten, dann frage ich mich, wo es in Europa überhaupt gelingen soll.
Was macht Sie so sicher, dass gerade die Bodenseeregion eine Art Integrationsmotor sein kann?
Nehmen wir die Wirtschaft, da sind die Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit exzellent. Es bestehen seit Generationen sehr enge, vertrauensvolle Beziehungen. Weil Vorarlberg und Baden-Württemberg sehr exportorientiert sind, profitieren beiden Länder von der europäischen Integration in besonderem Maß. Wir als wirtschaftliche Zugpferde in der Union können dem Volk zeigen, dass die europäische Einigung wirtschaftlich und politisch eine gewinnbringende Sache ist.
Grund für das Hochziehen der Grenzen war vor allem die Flüchtlingskrise. Verlangen die Menschen im Moment nicht nach mehr Sicherheit und sind bereit, dafür die eigene Freiheit etwas einzuschränken?
Die Sache hat zwei Seiten, da darf man sich nichts vormachen. In Fragen der Sicherheit sind Grenzkontrollen sehr wichtig, schließlich haben die Menschen ein Recht darauf, dass der Staat sie vor Gefahren schützt. Klar ist aber auch, dass durch verstärkte Kontrollen andere Bereiche behindert werden – unter anderem die Wirtschaft. Es gilt, immer beide Seiten im Auge zu behalten.
Was heißt das für Sie als Politiker?
Natürlich müssen wir für die Sicherheit der Bürger sorgen. Aber in den Bereichen, wo es möglich ist, müssen die Beschränkungen abgebaut werden. Das gilt vor allem für Vorarlberg. Wir sind das exportstärkste Bundesland in ganz Österreich und verdienen jeden zweiten Euro außerhalb unserer Region. Das heißt, ein großer Teil unseres Wohlstandes – das gilt auch für Baden-Württemberg – wird im Wesentlichen auf den Auslandsmärkten erwirtschaftet. Da wäre es seltsam, wenn ausgerechnet wir für mehr wirtschaftliche Beschränkungen eintreten würden.
Das schmeckt allerdings nicht allen. Und bisweilen wirft Ihnen sogar Brüssel Knüppel zwischen die Beine.
Das stimmt, es gibt immer wieder Rückschläge. Zuletzt gab es den Vorschlag – der Gott sei Dank nicht gekommen ist – einer Bewirtschaftung von Stromexporten nach Deutschland. Das ist die freundliche Formulierung für eine Zollabgabe. Die EU-Kommission wollte die einheitliche Strompreiszone Österreich/Deutschland wieder rückgängig machen. Diese Liberalisierung des Marktes existiert seit vielen Jahren und hat sehr viele Vorteile gebracht. Gegen die Bewirtschaftung haben wir erfolgreich angekämpft und es wurde eine Lösung gefunden. Tatsache ist: ich sehe die Tendenz, neue Hürden aufzubauen – auch in Bereichen, wo es völlig widersinnig ist. Allein der Gedanke, zwischen Baden-Württemberg und Vorarlberg neue Zollbeschränkungen einzuführen, wirft uns ins Mittelalter zurück.
Sie betreiben im Falle des Strommarktes eine Art Arbeitsteilung. Der Strom wird von deutscher Seite geliefert und in Österreich in Pumpspeicherkraftwerken gespeichert. Da muss das Vertrauen über die Grenzen hinweg sehr groß sein. Besteht nicht die Gefahr, dass einer dem anderen einfach den Schalter ausknipst?
Diese Gefahr gibt es natürlich im Prinzip schon. Aber die Zusammenarbeit mit der EnBW läuft schon sehr lange und das Vertrauen ist groß. Sie hat dazu geführt, dass wir bei uns den Anteil der Wasserkraft ausbauen konnten und den Strom auch punktgenau nach Baden-Württemberg liefern können. Das ist eine Gewinnsituation für beide Seiten. Inzwischen sind Stromlieferverträge bis ins Jahr 2041 abgeschlossen worden und es ist ein sehr gutes Bespiel für eine Zusammenarbeit, die in einem momentan eher schwierigen Markt über die Grenzen hinweg funktioniert. Das hat durchaus Modellcharakter für ganz Europa.