Ingrid Hamm und Joachim Rogall, die Geschäftsführer der Robert Bosch Stiftung, wollen die Zivilgesellschaft weltweit fördern – trotz starker Gegenkräfte.

Stuttgart – Im kommenden Jahr feiert die Robert Bosch Stiftung ihr fünfzigjähriges Bestehen. Mehr als eine Milliarde Euro hat sie in dieser Zeit für Projekte im In- und Ausland bewilligt. Seit dem 1. April dieses Jahres bilden Ingrid Hamm und Joachim Rogall die neue Doppelspitze in der Geschäftsführung.
Frau Hamm, Herr Rogall, sind mit der personellen Neuaufstellung größere inhaltliche Akzentverschiebungen verbunden?
Rogall: Frau Hamm und ich kennen uns schon lange aus anderer Zusammenarbeit. Wir haben den personellen Wechsel in der Tat genutzt, um einige Änderungen umzusetzen. Das ist sehr gut im Bereich der Völkerverständigung zu sehen. Entstanden ist dieser Bereich aus den deutsch-französischen und den deutsch-polnischen Beziehungen, aber inzwischen hat sich unsere Stiftung zu einem echten Global Player entwickelt.

Die Euro-Krise hat in Europa viele alte Feindbilder neu belebt: Demonstranten von Athen bis Lissabon ziehen mit anti-deutschen Parolen durch die Straßen, es gibt eine Renaissance nationalistischer Stimmungen. Was kann eine Stiftung tun, wenn zwischen Völkern das wechselseitige Verständnis eher ab- als zunimmt?
Rogall: Stiftungen können immer nur anstoßen und anstiften. Wir können nicht den Anspruch erheben, Europa in seiner Konstruktion zu ändern. Aber genau darum muss es insgesamt gehen, um Europa zukunftsfähig zu machen.

Wie würde für Sie ein zukunftsfähiges Europa aussehen?
Rogall: Es wird ein Europa sein, das seine Bürger stärker einbezieht, das keine alternativlose Küchenkabinettspolitik betreibt und das Konstruktionsfehler der Vergangenheit korrigiert. Ich bin überzeugt, dass Europa in 20 Jahren ganz anders aussehen wird als heute – auch wenn wir noch nicht genau wissen wie. Da können wir als Bosch- Stiftung eine Plattform bieten, auf der Ideen und Szenarien entwickelt werden, um eine positive Vision von Europa zu gestalten. Hamm: Man kann hier vieles unmittelbar praktisch angehen. Es gibt die hohe Jugendarbeitslosigkeit im Süden der EU. Wir müssen Wege finden, wie wir diesen jungen Menschen Arbeitsplätze in derzeit besser gestellten Ländern Europas anbieten, die ihnen gleichzeitig die Möglichkeit zur späteren Rückkehr in ihre Heimatländer bietet. Eigentlich ist das natürlich Aufgabe der Wirtschaft. Aber eine Stiftung kann dazu anregen. Wir müssen uns auch darum kümmern, wie wir Integrationskonzepte für die neue Armutseinwanderung in Richtung Deutschland entwickeln.

Nach dem Fall der Mauer hat sich Ihre Stiftung mit vielen Projekten um den Aufbau von Bürgergesellschaften in Mittel- und Osteuropa bemüht. Auch hier scheint es momentan eher Rückschritt als Fortschritt zu geben.
Rogall: Eine Stiftung hat die große Aufgabe dazu beizutragen, dass die Bürger den entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung ihrer Länder haben. In Russland ist das leider wieder rückläufig, in anderen Ländern blühen zarte Pflänzchen.

Sind Sie in Russland von den Repressionen gegen Nichtregierungsorganisationen und ausländische Stiftungen betroffen?
Rogall: Wir sind in Russland sehr stark engagiert. Von den augenblicklichen Behinderungen sind zwar nicht wir, aber natürlich von uns geförderte Institutionen betroffen. Einige stehen unter großem Druck. Hamm: Das harsche Vorgehen von Präsident Putin zeigt, dass die Regierung Grund zur Sorge hat: die Mittelschicht in Russland fordert immer entschiedener Demokratie ein. Ähnliche Entwicklungen, wenn auch auf einer anderen Ebene, sehen wir in China. Korruption und Vetternwirtschaft werden dort von der Bevölkerung sehr kritisch aufgenommen und zunehmend offen angeprangert.