Die Hüfte ist doppelt so umfangreich, der Hals ist um ein Drittel kürzer: Die Modepuppe den US-Künstlers Nickolay Lamm ist ein radikaler Gegenentwurf zum Schönheitsideal, das Barbie verkörpert. Damit hat er einen Nerv getroffen.

New York - Der amerikanische Künstler Nickolay Lamm hat eine Modepuppe mit Normalmaßen gebaut. Seine Lammily ist ein radikaler Gegenentwurf zum Schönheitsideal, das Barbie verkörpert. Damit hat Lamm einen Nerv getroffen: Im Internet hat er bereits mehr als 500 000 Dollar für die Produktion gesammelt. Jetzt kommt Lammily auf den Markt.

 
Herr Lamm, woher rührt Ihr Interesse an Barbie?
Ich verfolge seit Jahren die Kritik an dem Schönheitsideal, das Barbie transportiert. Ich bin Designer, deshalb habe ich mir gedacht: Warum machst du nicht eine Puppe, die normale Proportionen hat?
Und dann haben Sie Lammily entworfen.
Zuerst habe ich nur eine ungeschminkte Barbie gemacht. Dann habe ich mir vorgenommen, aufgrund statistischer Daten der US-Gesundheitsbehörde eine durchschnittliche amerikanische 19-Jährige als Puppe zu bauen.
Und wie unterscheidet die sich von Barbie?
Dramatisch. Die Hüfte ist doppelt so umfangreich, der Hals ist um ein Drittel kürzer. Wenn Barbie mit ihren Proportionen eine wirkliche Frau wäre, könnte sie das Gewicht des eigenen Kopfes nicht halten. Sie könnte nicht stehen, weil die Füße zu klein und die Knöchel zu schmal wären. Sie müsste auf allen vieren laufen. Am überraschendsten waren aber nicht einzelne Maße, sondern das gesamte Erscheinungsbild. Ich hätte nicht gedacht, dass die Durchschnitts-Barbie so gut aussieht.
Gibt es einen Grund, warum Ihnen das Körperbild, das Barbie transportiert, so wichtig ist?
Ich habe viele Frauen in meiner Bekanntschaft, die gesund sind, sich regelmäßig bewegen und gut aussehen – und trotzdem immer das Gefühl haben, sie müssten auf ihr Gewicht achten. Ich finde das fürchterlich. Die Leute müssen aufhören, sich an unrealistischen Schönheitsidealen zu messen. Normal ist schön.
Und Lammily soll dazu beitragen, dass Frauen und Mädchen sich in ihrer Haut wohler fühlen.
Ich will Barbie nicht schlechtmachen. Es gibt viele Frauen und Mädchen, die einer Modepuppe ähnlicher sehen als Lammily. Ich will nur eine Alternative anbieten. Es gibt einfach bislang keine Puppen, die wie ganz normale Menschen aussehen.
Sie haben zuerst einen Prototyp von Lammily gebaut und dann per Crowdfunding Mittel dafür gesucht, um sie in Serie produzieren zu können. Das war ein gigantischer Erfolg.
Ja, das stimmt. Mein Ziel war es, 95 000 Dollar zu sammeln. Die hatte ich nach 24 Stunden zusammen. Ich habe jetzt mehr als 500 000 Dollar, und die Frist ist noch nicht einmal abgelaufen.
Haben Sie das erwartet?
Ich habe gedacht, es wird entweder ein Kracher oder ein totaler Flop. Zum Glück wurde es ein Erfolg.
Wurden bei Ihnen auch schon Bestellungen aufgegeben?
Ja, ich habe mehr als 16 000 Bestellungen. Die Produktion steht, ich kann bald liefern.
Lammily könnte also durchaus ein kommerzieller Erfolg werden. Hat Mattel, der Hersteller von Barbie, denn schon reagiert?
Nein, das erwarte ich auch gar nicht. Sie haben ja schon viel Kritik für Barbie einstecken müssen. Ich verstehe, dass sie sich da lieber ruhig verhalten. Barbie war ein Welterfolg, sie ist ikonisch. Die kann man nicht einfach vom Markt nehmen oder verändern. Das ist auch völlig in Ordnung.
Es ist Ihre Spezialität, Dinge zu visualisieren, um auf problematische Realitäten aufmerksam zu machen.
So kann man das sagen. Eines meiner letzten Projekte war es, wirtschaftliche Ungleichheit grafisch darzustellen. Ich möchte, dass Leute sich Dinge anschauen können, die man sonst nicht sehen kann.
Was möchten Sie mit Lammily erreichen?
Ich wünsche mir, dass sie sich als Alternative zu den gängigen Modepuppen etabliert und dass es die Lammily auch in zehn Jahren noch gibt.