Weltweit müssen 930 Millionen Menschen hungern, obwohl genug Ressourcen für alle da wären, prangert Bärbel Dieckmann im Interview mit der Stuttgarter Zeitung an. Die Präsidentin der Welthungerhilfe fordert Verständnis und Einsatz in der westlichen Welt.

Stuttgart – Bärbel Dieckmann kommt gerade aus dem Senegal zurück. Die Präsidentin der Welthungerhilfe ist das ganze Jahr in der Welt unterwegs und das in jenen Ländern, in denen die Menschen Hunger leiden. Im Gespräch mit Christian Gottschalk und Katharina Sorg erzählt sie, was sie an der Debatte über den Biokraftstoff E10 geärgert hat, wie die Zukunft der Sahelzone aussehen könnte und was jeder von uns anders machen müsste.
Frau Dieckmann, aktuell ist die Debatte über den Ökokraftstoff E10 in Deutschland wieder entbrannt. Diese Diskussion müsste Sie doch eigentlich glücklich machen, oder?
Wir begrüßen es, dass die Debatte geführt wird, nur wird sie zu einseitig geführt. Wenn Biosprit in Deutschland morgen abgeschafft wird, leidet deshalb nicht ein Mensch weniger Hunger in Afrika. Es ist einfach falsch zu suggerieren, das Hungerproblem ließe sich so lösen. Der Hunger in der Welt hat viele Ursachen, die Verwendung von Getreide zur Spritherstellung ist nur ein Faktor davon.

Dann soll der Biosprit also bleiben?
Nein. Wir fordern, dass Biosprit noch einmal auf seine Sinnhaftigkeit hin hinterfragt wird. Umso mehr, da mit ihm wohl auch nicht das gewünschte Ziel der Klimaverbesserung erreicht wird.

Aktuell warnen Experten vor einer Hungerkatastrophe wie im Jahr 2008. Wird es für Dauerkrisengebiete wie die Sahelzone je eine Entschärfung geben?
In der Sahelzone wird es langfristig Gebiete geben, die nicht mehr bewohnt werden können. Viele Hilfsorganisationen sagen, man dürfe nicht davon sprechen, weil das bedeutet, dass Menschen ihr Land verlassen müssen. Ich bin aber der Überzeugung, dass man der Wahrheit ins Gesicht sehen muss. Allerdings ist es auch in diesen Ländern möglich, die Menschen zu ernähren. Unsere Hauptaufgabe liegt darin, in die Landwirtschaft der Entwicklungsländer zu investieren, damit sich die Menschen langfristig selbst versorgen können.